Jobabbau mit verkappter Frühpension
Sozialversicherung. Mit der Reform sollen 30 Prozent der Jobs wegfallen. Nun liegen die Pläne für den Abbau im Detail vor.
Eine Milliarde Euro: So viel soll der Umbau der Sozialversicherungen laut der ehemaligen türkisblauen Regierung mittelfristig bringen. Von massiven Einsparungen im Funktionärsbereich war die Rede: Aus 2000 sollen 480 Funktionäre werden. Keine akuten Kürzungen sah man hingegen bei den 28.000 Mitarbeitern vor. Sie bekamen sogar eine Jobgarantie. Durch natürliche Abgänge sollen aber binnen zehn Jahren 30 Prozent der Posten in der Verwaltung eingespart werden. Nun zeigt sich, wie: Beschäftigte sollen in großem Stil in die geblockte Altersteilzeit verabschiedet werden, obwohl Experten genau dieses Modell regelmäßig als verkappte Frühpension kritisieren. Die Sozialpartner haben sich auf ein Modell für die betriebliche Altersteilzeit geeinigt. Der „Presse“liegt ein entsprechendes Schreiben vor.
Die Altersteilzeit in der Sozialversicherung wird demnach deutlich attraktiver als die herkömmliche Altersteilzeit, die vom Arbeitsmarktservice (AMS) mitfinanziert wird. Im Detail sieht das so aus: Beschäftigte, die zumindest 25 Dienstjahre haben, können ab dem Alter von 54 Jahren vorzeitig in die geblockte Altersteilzeit gehen. Geblockt heißt, dass man zunächst einige Jahre voll arbeitet und danach eine Freizeitphase folgt, die nahtlos in die Pension übergeht. Normalerweise ist die Freizeitphase auf 2,5 Jahre beschränkt. Anders in der Sozialversicherung: Das Modell erlaubt es theoretisch, dass man drei Jahre arbeitet und fünf Jahre frei hat. Im Normalfall soll die Altersteilzeit jedoch aus drei Jahren Arbeit und drei Jahren Freizeit bestehen.
Neos kritisieren teuren Abbau
Im Extremfall dürfen Beschäftigte der Sozialversicherung künftig bis zu elf Jahre in die geblockte Altersteilzeit gehen und bekommen bis zu 80 Prozent ihrer Letztbezüge. Arbeitgeber und Gewerkschaft betonen aber unisono, dass das alles nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass der Dienstgeber dem Antrag auf Altersteilzeit zustimmt.
„Keiner hat einen Anspruch darauf“, sagt Michael Aichinger, Vorsitzender des Bereichs Sozialversicherung in der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp). Zumal in den nächsten Jahren ohnehin eine beträchtliche Zahl von Beschäftigten in den Sozialversicherungen in Pension geht. Aichinger schätzt, dass gut 1000 Personen das Modell nutzen werden.
Für Gerald Loacker, Sozialsprecher der Neos, ist das immer noch zu viel. Er spricht von einem „teuren Jobabbau auf Kosten der Versicherten“. Zumal die Sozialversicherungen zuletzt 330 Mio. Euro für Zusatzpensionen ausgaben.
Die geblockte Altersteilzeit ist generell längst ein Politikum. Nicht nur die Neos fordern ihre Abschaffung, sondern auch Experten wie AMS-Chef Johannes Kopf. Sie sei kein altersgerechtes Arbeiten, sondern eine „Frühverrentung“. Die türkis-blaue Koalition hat den Zugang zur Altersteilzeit verschärft: Bis 2018 konnten Frauen ab 53 und Männer ab 58 Jahren die Altersteilzeit in Anspruch nehmen. Heuer steigt die Altersgrenze um ein Jahr, ab 2020 auf 55 bzw. 60 Jahre. Dass in der Sozialversicherung, deren Reform ein Leuchtturmprojekt von Türkis-Blau war, nun genau das Gegenteil praktiziert wird, ist einigermaßen pikant.
Laut Bernhard Wurzer, dem Generaldirektor der neuen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), darf die Altersteilzeit aber nur genehmigt werden, wenn gleichzeitig ein Dienstposten eingespart wird. Es handle sich also um ein echtes Einsparungsprogramm. „Wir werden das sehr behutsam einsetzen und nur dort, wo es für die Versicherten eine Einsparung bringt“, sagt Wurzer zur „Presse“. Mit der Fusion sinkt die Zahl der Sozialversicherungsträger von 21 auf fünf. Die Gesundheitskasse entsteht aus dem Zusammenschluss der Gebietskrankenkassen und ist die größte Krankenkasse.
Jubiläumsgeld kommt früher
Schon bisher verabschiedeten sich die Beschäftigten der Sozialversicherung – wie die anderen Österreicher – deutlich vor dem gesetzlichen Antrittsalter in den Ruhestand. Laut dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger gingen sie 2018 mit durchschnittlich 58,4 Jahren (Frauen) und 61,6 Jahren (Männer) in Pension. Im österreichischen Durchschnitt waren es 59,4 bzw. 61,5 Jahre.
Die Verhandler haben sich nebenbei noch auf ein anderes Zuckerl für langjährige Mitarbeiter geeinigt: Das Jubiläumsgeld wird künftig schon nach 34 statt nach 35 Jahren ausbezahlt und nach 39 statt nach 40 Jahren. Als „symbolischer Akt der Wertschätzung“, sagt Gewerkschafter Aichinger.