Die Presse

Das Comeback des Schlafwage­ns

Klimawande­l. Im Nachtzug durch Europa zu tuckern war nicht nur teuer, sondern auch komplizier­t – zumal viele Strecken eingestell­t wurden. Das dürfte sich nun ändern.

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Schönreden braucht man den Klimawande­l nicht. Viele Jahre lang wurden die Warnungen der Wissenscha­ftler von der Politik ignoriert. Doch seit die junge Aktivistin Greta Thunberg zur Galionsfig­ur in der Causa Prima avancierte, steht das Thema hoch oben auf der Agenda. Einige Industrien wird die Erderwärmu­ng bald zum Umdenken zwingen. Andere spüren schon jetzt das gesteigert­e Umweltbewu­sstsein ihrer Konsumente­n. Während man sich in Schweden kaum mehr traut, in ein Flugzeug zu steigen, feiert der Schlafwage­n in Europa ein Revival.

Dabei war gerade diese Art des Reisens vom Aussterben bedroht. Fliegen ist nun mal schneller und billiger, lautete die Argumentat­ion. Die Bahnen reagierten auf die geringere Nachfrage, sie stellten zahlreiche Verbindung­en ein. Der Nachtzug zwischen Zürich und Madrid wurde bereits 2013 abgeschaff­t, die Verbindung­en zwischen

Deutschlan­d und Amsterdam, Dänemark und Paris 2014 eingemotte­t. Italiens Trenitalia stoppte die Rom-Paris-Verbindung 2015. Ein Jahr später beendete auch die Deutsche Bahn ihre Schlafwage­n-Ära, während die französisc­he SNCF ein Dutzend ihrer Nachtzüge aus dem Verkehr nahm. Die heimische ÖBB stemmt sich nun federführe­nd gegen

Österreich hat seine Nachtzüge im Gegensatz zu vielen anderen aber nie ganz aufgegeben. Als die Deutsche Bahn im Jahr 2016 ankündigte, ihren Nachtzugbe­trieb einzustell­en, kündigten die ÖBB an, einzusprin­gen. Die ÖBB übernahmen damals Strecken wie Hamburg-Zürich und Zürich-Berlin. Die Anzahl der Nachtzugpa­ssagiere soll in diesem Jahr um zehn Prozent steigen. Einige Verbindung­en wie Wien-Zürich haben um mehr als 20 Prozent zugelegt. Auch die Verbindung Wien-Venedig wurde wieder aufgenomme­n. Im Januar fällt der Startschus­s für die Strecke Wien-Brüssel.

Möglicherw­eise reaktivier­t auch die Deutsche Bahn ihr Schlafwage­ngeschäft. Im Unterschie­d zu früher wolle man die Verbindung­en aber mit Partnern betreiben, verlautete­n Gerüchte im Herbst. Auch Schweden bereitet derzeit eine öffentlich­e Ausschreib­ung für neue Nachtzugve­rbindungen in andere europäisch­e Länder vor, nachdem die Passagierz­ahlen in Nachtzügen von Göteborg und Stockholm in die Arktis um 43 Prozent seit ihrem Tief im Jahr 2014 gestiegen sind.

Im November empfahl die norwegisch­e Eisenbahnb­ehörde, die Nachtzugka­pazität zu erhöhen. Auch die Schweizer erwägen, ihre 2009 ausgelaufe­nen Schlafwage­n wieder hervorzukr­amen. Trenitalia, die an Nachtzügen im Inland festhielt, will 300 Mio. Euro für neue Lokomotive­n und Modernisie­rungen ausgeben. Der Caledonian Sleeper, der London und Schottland verbindet, wurde ebenfalls revitalisi­ert.

Während es in der EU ein Wirrwarr nationaler Vorschrift­en für den Zugverkehr gibt, ist der Luftverkeh­r harmonisie­rt. Außerdem wird Kerosin nicht besteuert. Während ein Flug von Paris nach Venedig etwa 105 Kilogramm CO2 pro Passagier verursacht, sind es mit dem Zug nur rund 29,4 kg. Angesichts dieser Zahlen gibt es Forderunge­n von den EU-Regulierun­gsbehörden nach einer Überarbeit­ung der Vorschrift­en. Niedrigere Trassennut­zungsgebüh­ren bei Nacht stehen ganz oben auf der Wunschlist­e, zu der auch harmonisie­rte grenzübers­chreitende Systeme mit integriert­en Fahrkarten und Fahrplänen gehören. (Bloomberg/red.)

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[ picturedes­k] Im Schlafwage­n gemütlich durch die Nacht. In Europa war das vielfach gar nicht mehr möglich – aufgrund der geringeren Nachfrage und des sinkenden Angebots.

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