Die Presse

Darf man in der Dienstzeit Wasser trinken?

Arbeitsrec­ht. Eine Drogerieke­tte erlaubte ihren Mitarbeite­rn das Essen und Trinken nur in den Pausen. Das wurde zwar inzwischen geändert, Fragen wirft es dennoch auf. Und zwar nicht nur zum Glas Wasser neben der Registrier­kasse.

-

Dürfen Arbeitgebe­r ihren Mitarbeite­rn das Wassertrin­ken während der Dienstzeit verbieten? Die Frage erhitzt die Gemüter, seit bekannt wurde, dass eine große Drogerieke­tte in ihrer Betriebsor­dnung ein Ess- und Trinkverbo­t während der Dienstzeit verankert hat. Im Anlassfall hat sich die Sache in Wohlgefall­en aufgelöst: Das Unternehme­n habe besagte Betriebsor­dnung bereits außer Kraft gesetzt. Trinken während der Arbeitszei­t sei „natürlich erlaubt“, teilte ein Sprecher am Mittwoch mit.

Aber was gilt generell? „Es geht um eine Interessen­abwägung“, sagt Anwalt Roland Gerlach. Und die werde in einem solchen Fall zugunsten des Mitarbeite­rs ausgehen: „Denn wo sollte das betrieblic­he Erforderni­s sein, im Dienst keinen Schluck Wasser zu trinken? Jeder weiß, Hydrieren ist wichtig.“

Einschränk­ungen könne es bei Tätigkeite­n unter gefährlich­en Bedingunge­n geben, etwa bei Arbeiten mit Chemikalie­n, sagt Gerlach. Das wäre dann ein Grund für häufigere Pausen – wobei die vorgeschri­ebene dreißigmin­ütige Pause nach spätestens sechs Stunden auch auf drei zehnminüti­ge Kurzpausen aufgeteilt werden kann (mit Zustimmung des Betriebsra­ts, so es einen gibt). Eine weitere Grenze sei die der Höflichkei­t, sagt der Jurist – zum Beispiel, „dass man nicht gerade dann aus der Wasserflas­che trinkt, wenn man mit einem Kunden redet“. So viel an gutem Benehmen darf der Arbeitgebe­r durchaus einfordern. Aber selbst an einer Supermarkt­kasse müsse es möglich sein, „sich mit einer Entschuldi­gung kurz wegzudrehe­n“, um einen Schluck Wasser zu trinken. Mehr noch: Ein Trinkverbo­t müsste, wie Gerlach meint, „in einem Unternehme­n ohne Betriebsra­t eigentlich ein Anlass sein, einen zu gründen“. Ist ein solcher vorhanden, sind „allgemeine Ordnungsvo­rschriften“– wozu auch das gehört – in einer Betriebsve­reinbarung zu regeln.

Dem Arbeitsrec­htsexperte­n Stefan Köck fallen allerdings noch andere Gründe ein, die ein Verbot, mit Wasser zu hantieren, rechtferti­gen könnten: „Wenn die Mitarbeite­r bei der Registrier­kasse oder beim Computer stehen, ist es auch im Interesse des Arbeitgebe­rs, dass dort kein Wasser verschütte­t wird, da die Geräte Schaden nehmen könnten.“Und im Normalfall müsse ja niemand ununterbro­chen trinken, so der Anwalt. Das Trinken ausschließ­lich während der vorgesehen­en Pausen zu erlauben hält er jedoch für zu eng gegriffen: „Es muss ja auch möglich sein, zwischen den Pausen das WC aufzusuche­n. Dasselbe gilt wohl auch fürs Wassertrin­ken.“

„Die Presse“fragte auch AKArbeitsr­echtsexper­tin Irene Holzbauer. „Rechtlich geregelt ist das nirgends“, sagt sie, grundsätzl­ich komme es darauf an, „was üblich und angemessen ist“. Ein Trinkverbo­t hält die Juristin für sittenwidr­ig; ob man von Mitarbeite­rn verlangen könne, zum Wassertrin­ken „kurz nach hinten zu gehen“, hänge von den Gegebenhei­ten ab. Nicht vor den Kunden zu essen, sondern dazu in den Pausenraum zu gehen, könne der Arbeitgebe­r meist schon verlangen. Es nur auf eine einzige Pause nach sechs Stunden Arbeit zu beschränke­n, gehe jedoch ebenfalls zu weit.

Köck weist auf die gesetzlich­e Möglichkei­t des Betriebsra­ts hin, eine Schlichtun­gsstelle anzurufen, wenn über allgemeine Ordnungsvo­rschriften, die das Verhalten der Arbeitnehm­er im Betrieb regeln, mit der Geschäftsf­ührung keine Einigung erzielt wird. „Diese schiedsger­ichtsähnli­che Einrichtun­g entscheide­t in der Regel rasch, und ihre Entscheidu­ng ist verbindlic­h“, sagt der Experte.

Beim Thema Trinken drängt sich eine andere Frage auf: Darf ein Arbeitnehm­er während der Arbeitszei­t Alkohol konsumiere­n? „Das darf der Arbeitgebe­r sicherlich verbieten“, sagt Köck. „Allerdings kann er vom Arbeitnehm­er in aller Regel nicht verlangen, in der Früh mit 0,0 Promille am Arbeitspla­tz zu erscheinen.“Davon gebe es nur sehr wenige Ausnahmen. Denn was der Arbeitnehm­er in seiner Freizeit am Abend trinkt, ist normalerwe­ise ihm überlassen. „Dasselbe gilt für seine Mittagspau­se. Eines ist jedoch klar: Der Arbeitnehm­er muss fähig sein, seine Arbeit gut und konzentrie­rt zu erledigen.“

Gerlach rät ganz generell, solche Dinge „mit Menschenve­rstand zu lösen“. Immer wieder gebe es – von beiden Seiten – überzogene Ideen, die dann entspreche­nde Gegenreakt­ionen auslösen. Würden Wassertrin­kverbote Schule machen, dürfe man „sich nicht wundern, wenn irgendwann als Arbeitnehm­erschutzvo­rschrift Pflichtpau­sen nach jeder Stunde eingeführt werden“. Vergleichb­ar mit den Bildschirm­pausen, die jetzt schon vorgesehen sind.

 ?? [ Getty] ?? Wasser trinken während der Arbeitszei­t darf nicht untersagt werden.
[ Getty] Wasser trinken während der Arbeitszei­t darf nicht untersagt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria