Lassen wir unsere Gefühle besser zu Hause
Eine US-Studie verblüfft: Empathie verschärft die Polarisierung in der Gesellschaft. Dahinter steht die alte Frage nach der Begründung der Moral. Empathie hilft nicht bei den Konflikten zwischen Gruppen. Sie macht alles nur schlimmer.
In der guten alten Amtszeit von Barack Obama schien alles klar. Das „Defizit an Empathie“sei ein größeres Problem als das Budgetdefizit, klagte der US-Präsident 2013. Schon damals ging ein Riss durch die US-Gesellschaft – nicht weil die Haltung zu Streitthemen sich radikalisierte, sondern weil die politische Lagerbildung zunahm: Wir gegen Euch.
Als Kitt verhieß Obamas Botschaft: Fühlt euch in andere ein, und alles wird gut. Seitdem hat sich die Polarisierung massiv zugespitzt, auch in Europa. Der Stoßseufzer liegt nahe: Hätten doch alle auf Obama gehört! Falsch, erklären uns nun Forscher.
Empathie ist ungeeignet, Konflikte zwischen Gruppen zu entschärfen. Im Gegenteil, sie macht alles nur schlimmer, lautet das Fazit einer Studie unter Leitung der Politologin Elizabeth Simas von der Uni Houston (American Political Science Review, 31.10).
Das klingt zunächst absurd. Haben nicht viele Untersuchungen den Segen der Empathie bewiesen? Ja, aber das waren immer Experimente im Labor, bei denen die Probanden, der Not anderer ausgesetzt, zum Mitgefühl gedrängt wurden. Warmherzige Gefühle sind aber eine knappe Ressource. Im Alltag ist man damit überfordert, sie über alle zu ergießen. Man empfindet sie vor allem innerhalb der eigenen Gruppe. Wozu das führt, zeigen die Autoren durch die Analyse von Umfragen: Je stärker der
Hang eines Menschen zu Sympathie und Mitleid ist, desto enger fühlt er sich auch den Anhängern seines politischen Lagers verbunden – und desto größer ist seine Aversion gegenüber den Gegnern, die er für die Probleme der „Unsrigen“verantwortlich macht. Ihnen will er den Mund verbieten, ihr Scheitern weckt sogar Schadenfreude.
Ausgenommen sind Situationen, in denen ein Einzelner von der anderen Seite ihm ohne politischen Kontext begegnet – als Kollege bei der Arbeit, als neuer Freund der Tochter. Hier schlägt die Empathie kleine Brücken der Toleranz. Aber das hilft nicht im Großen. Man denke an den Spruch des Antisemiten: „Meine besten Freunde sind Juden.“Oder an Fremdenfeinde, die sich bestens mit ihrem türkischen Friseur verstehen, „weil