Wenn ein Fisch sich mit dem Falschen paart
Biologie. Buntbarsche verwechseln beim Sex oft die Art. Statt eines Einheitsbreis entstehen dann ganze neue Spezies.
In der Nacht sind alle Katzen grau, sagen wir Menschen. Das lässt sich auch auf Fische umlegen. Bei den Buntbarschen suchen sich die Weibchen ihr Objekt der Begierde. Sind die Lichtverhältnisse schlecht oder das Wasser trüb, können sie die Farben nicht unterscheiden, mit der die Männchen ihre Art markieren. Dann sind sie bei der Wahl des Sexualpartners nicht mehr sehr wählerisch und schnappen sich zuweilen ein Männchen der falschen Art. Das Ergebnis des Versehens nennen Biologen dann „Hybridisierung“. Aus evolutionärer Sicht konnten sie den Irrtum bisher nicht gutheißen. Sie meinten: Passiert er an bestimmten Ort oft genug, dann verschmelzen bisher verschiedene Arten im Lauf der Zeit zu einer einzigen. Im Schmelztiegel entstehe ein genetischer Einheitsbrei: Lokale Eigenheiten verschwänden, die Vielfalt leide, die optimale Anpassung an die Umwelt gehe verloren. Wir wollen hoffen, dass bei dieser Theorie nicht Rassenlehren aus dunklen Zeiten nachschwangen. Aber egal, sie ist ab sofort ohnehin überholt – durch eine Studie eines Teams um Joana Meier von der Uni Cambridge (Nature Communications, 3. 12.).
Die Forscher stellten zunächst im Labor nach, wie es zur Verwechslung bei schlechten Sichtverhältnissen kommt. Ein besonders trübes, undurchsichtiges Gewässer war anfangs der Mwerusee in Ostafrika, als er sich vor rund einer Million Jahre bildete. Er versammelte verschiedene, bisher säuberlich voneinander getrennte Arten von Buntbarschen aus dem Einzugsbereich zweier großer Flüsse, des Sambesi und des Kongo. Dann kam es, offenbar ziemlich grassierend, zu falschen Paarungen zwischen den Arten. Was im Lauf der Zeit daraus wurde, haben die Forscher in ihrer zehn Jahre dauernden Arbeit anhand von DNA-Analysen Hunderter Fische nachgezeichnet: Es entstanden 40 neue Arten, die es in den Flusssystemen bis heute nicht gibt. Sie haben sich von den ursprünglichen Spezies deutlich fortentwickelt: Sie sehen ganz anders aus, essen andere Nahrung und bewohnen andere Habitate, etwa tiefer im See oder näher an der Oberfläche.
Diese Auffächerung in spezialisierte Arten nennt man in der Evolutionsbiologie „adaptive Radiation“. Bisher ging man davon aus, dass dieser Prozess ökologische Nischen erfordert, samt Abtrennung von der genetischen Quelle und fehlender Konkurrenz von anderen Arten. Auf diese klassische Weise verlief die Entwicklung in einem anderen See, dessen Barsche die Forscher untersuchten, dem Bangweulusee in Sambia. Der Vergleich zeigt: Mit der „schlampigen“Methode der Vermischung erhöht sich die Zahl eigenständiger Arten früher, schneller und stärker als bei der Nischenbildung. Sie steigert also die Biodiversität und damit die Überlebensfähigkeit des gesamten Ökosystems. Allfällige Vergleiche mit den sozialen Systemen der menschlichen Gemeinschaft überlassen wir dem Assoziationswillen und der Einbildungskraft unserer Leser.