Ein Pakt in allerletzter Minute
Doppelbesteuerungsabkommen. An seinem vorletzten Amtstag unterzeichnete Argentiniens Außenminister Jorge Faurie das für österreichische Unternehmen so wichtige Abkommen.
Gerade in Geldangelegenheiten liefert Argentinien notorisch schlechte Nachrichten. Seit April 2018 herrscht wieder Finanzkrise, dem Land droht am Ende der Amtszeit von Mauricio Macri der neunte Staatsbankrott. Doch nun kommt überraschende frohe Kunde – nach Österreich. Am Nachmittag des 6. Dezembers unterzeichnete der Noch-Außenminister Jorge Faurie ein nagelneues Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Argentinien an seinem vorletzten Amtstag. Es war ein Last Minute Deal.
Ein Vertrag, der heimische Unternehmen ab 2021 steuerlich endlich mit Firmen aus Deutschland und der Schweiz gleichstellt. Bislang müssen heimische Unternehmen 30 Prozent Steuern in Argentinien abführen und werden danach auch vom rot-weiß-roten Fiskus zur Kasse gebeten. Um solche Belastungen zu vermeiden, ließen heimische Betriebe Rechnungen oft von ihren Niederlassungen in Deutschland ausstellen, was nicht nur mehr Aufwand bedeutete, sondern auch die Handelsbilanz verfälschte. Die Wirtschaftskammer (WKO) rechnet nun mit einer Verdreifachung der Dienstleistungsexporte nach Argentinien.
Aber auch Argentinien dürfte profitieren. Seine IT- und Softwarebranche, nach dem Agrarsektor der zweitwichtigste Exporteur, wird nun ihre Dienste in Österreich besser anbieten können. Die WKO rechnet mit einer Vervielfachung der 28 Millionen Euro, die 2018 von argentinischen Firmen nach Österreich exportiert wurden.
„Ich freue mich außerordentlich über das Zustandekommen dieses Abkommens“, erklärte Botschafter Christoph Meran, der im argentinischen Außenministerium den Vertrag unterzeichnete. Es war tatsächlich schon der zweite derartige Vertrag zwischen beiden Ländern. Ein erster war am 13. September 1979 mit der damaligen
Militär-Regierung geschlossen worden. Aber am 26. Juni 2008 kündigte Präsidentin Cristina Kirchner das Regelwerk.
Die kreativen argentinischen Steuerberater hatten Schlupflöcher gefunden, die es ihren wohlhabenden Klienten erlaubten, Vermögen durch Verschieben zwischen beiden Staaten legal von der Steuerpflicht zu entheben. Auf argentinischen Protest hin bot Österreich an, das Abkommen zu adaptieren. Aber Kirchner zerriss es. Daran vermochte auch der frühere Bundespräsident Heinz Fischer nichts zu ändern, der 2012 in die Pampa reiste. Die kapriziöse Presidente ließ Fischer 90 Minuten warten, um ihm danach exakt die Hälfte dieser Zeit zu widmen. Das Abkommen blieb im Mistkübel.
Erst die Wahl des Liberalen Macri weckte neue Hoffnung. Doch bald machte sich Ernüchterung breit, denn Österreichs Antrag wog deutlich leichter als andere Altlasten. „Unser Akt lag in diesem Stapel ganz unten, begraben unter Schwergewichten wie Japan“, erinnert sich Marco Garc´ıa, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Argentinien. Big Player wie Spanien und Deutschland versuchten ihre angejahrten Agreements zu aktualisieren – und bekamen es nicht hin, nachdem zwei Währungsstürze 2018 den Staatsapparat ins Taumeln brachten. Weil Reisebudgets gekürzt wurden, durften argentinische Unterhändler nicht mehr nach Wien fliegen.
Dass die Geschichte vorerst ein Happy End bekommt, liegt maßgeblich an drei Personen. Botschafter Meran hat das Anliegen Präsident Macri persönlich vorgetragen und bei den Ministerien ebenso freundlich wie hartnäckig insistiert. Der Wirtschaftsdelegierte Garc´ıa hat das Abkommen mit intensivem Networking und engagierter Detailarbeit vorangetrieben. Und ein – hier namentlich nicht genannter – Spitzenvertreter der WKO hat eine Jugendfreundschaft genutzt. Er hatte vor Jahrzehnten, während eines Studiensemesters in Buenos Aires, im Hause einer Unternehmerfamilie gelebt. Deren jüngster Spross Marcos Pen˜a war Macris Kabinettschef. Auch weit von Wien erklären sich Wunder mit einem Wort: „conecciones“– Beziehungen.
Am Nikolaustag hatten die österreichischen Unternehmensvertreter ihre Weihnachtsfeier anberaumt. Es war Botschafter Meran beschieden, unter ausgelassenem Beifall das Sackerl auszupacken. Nun bleibt zu hoffen, dass nicht doch noch der Krampus kommt.
Am Dienstag wird Alberto Fernandez´ als Präsident angelobt. Als Kabinettschef hatte er 2008 die Tagespolitik geleitet, als Argentinien „Adios,´ Austria“gesagt hatte. Cristina Kirchner firmiert, zumindest nominell, als Fernandez’´ Vize.