Was 2020 an der Börse bringen wird
Aktien. Das laufende Börsejahr war historisch betrachtet ein ziemlich gutes. Auch für das kommende Jahr zeigen sich die meisten Experten zuversichtlich. Vor allem europäische Aktien werden derzeit für unterbewertet gehalten.
Das Jahr an den Börsen war – man kann es nicht anders sagen – fulminant. Die wichtigsten Leitindizes haben im bisherigen Jahresverlauf zweistellig zugelegt. Überrascht hat vor allem der deutsche Leitindex DAX. Monatelang von der Autoindustrie und Rezessionsängsten geplagt, feierte er nun ein Comeback. Auch im wichtigen USLeitindex Dow Jones war das Plus seit Jahresbeginn mit über 22 Prozent beachtlich, im breiten S&P mit Plus 28 Prozent noch mehr.
Mit Kursanstiegen bei globalen Aktien von über 22 Prozent wird das Börsenjahr 2019 deshalb wohl in die Top Ten der vergangenen 50 Jahre eingehen, wie Analysen der Raiffeisen KAG zeigen. Dass in den nächsten Wochen ein großer Absturz kommt, ist zwar möglich – aus derzeitiger Sicht aber ziemlich unwahrscheinlich. Weil die Händler bald ihre Bücher schließen, um sich in die Weihnachtsferien zu verabschieden, darf man sich also durchaus fragen: Was bringt 2020? Kann es im kommenden Jahr noch einmal so gut laufen?
„Nach besonders guten Jahren kamen historisch betrachtet in drei Viertel der Fälle weitere gute Jahre. Nur ein einziges Mal in den letzten 50 Jahren folgte auf ein besonders gutes Aktienjahr ein großer Absturz, nämlich im Jahr 2000“, sagt Ingrid Szeiler, Chief Investment Officer der Raiffeisen KAG. Ihr Fazit: „Historische Vergleiche sprechen für ein positives Aktienjahr.“
Politisch betrachtet stehen in den kommenden zwölf Monaten zwei wichtige Ereignisse an. Eines davon schon bald – sollte es nicht zu einer erneuten Verschiebung kommen: Der Brexit ist für den 31. Jänner 2020 vorgesehen. Doch hat der Austritt der Briten aus der EU die Märkte zuletzt weder interessiert noch bewegt. Inzwischen ist man außerdem zuversichtlich, sich gütlich einigen zu können – zumindest irgendwie. Im November finden dann die Präsidentschaftswahlen in den USA statt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Amtsinhaber Donald Trump es in die Verlängerung schafft, ist – je nachdem, was beim Amtsenthebungsverfahren herauskommt – durchaus gegeben. Der US-Präsident wird alles daran setzen, die amerikanische Konjunktur am Laufen zu halten.
Die US-Notenbank wird dem wohl nicht im Wege stehen. Eine Zinserhöhung 2020 gilt als unwahrscheinlich. „Die Fed hat in Wahljahren bisher noch nie die Konjunktur mit Zinserhöhungen gebremst. Dies sollte sich im Jahresverlauf positiv auf die Wall Street auswirken“, so Jens Ehrhardt von DJE Kapital.
Möglicherweise stehen sogar Zinssenkungen im Raum. „Wir sind bezüglich des Ausblicks der USA vorsichtiger und halten negative Überraschungen für möglich. Vor allem Vorlaufindikatoren, die auf Umfragen basieren, deuten auf ein unter Potenzial liegendes Wirtschaftswachstum hin“, so Szeiler in einem Marktkommentar.
Im Allgemeinen wird die Konjunktur aber wieder etwas besser beurteilt, als das noch vor einiger Zeit der Fall war. „Während sich die Weltwirtschaft vor zwölf Monaten unbestreitbar auf dem Weg in eine markante Abschwächung befand, wenn auch nicht in die Rezession, so stellen sich die Aussichten heute ganz anders dar“, urteilt Martin Lück von
Blackrock. Die Frühindikatoren in den großen Industrieländern hellen sich wieder auf. Auch aus China seien inzwischen beruhigendere Signale zu hören. „Kein Vergleich jedenfalls zum Doom and Gloom (Untergangsszenario) des vergangenen Dezembers“, so Lück. Bei Columbia Threadneedle ist man weniger euphorisch, denn die Konjunkturdaten zeigen ein gemischtes Bild. „Wir befinden uns am Scheideweg.“
Für Deutschland und die Eurozone erwartet Spängler Iqam eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums. Robuste Arbeitsmärkte, Dienstleistungssektoren und eine hohe Konsumnachfrage würden einen breiten Konjunkturrückgang verhindern, meinen die Experten. Sie sind überzeugt, dass die Eurozone schneller als andere wachsen sollte. Auch, weil mögliche Fiskalmaßnahmen auf den Weg gebracht werden.
Das sollte auch den bisher unterbewerteten europäischen Aktien wieder zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Das KursGewinn-Verhältnis im Stoxx 50 liege derzeit unter dem Schnitt der vergangenen 20 Jahre. Für Österreich erwartet die Erste Group einen Anstieg des Leitindex ATX auf 3500 Punkte, was einem Plus von rund zwölf Prozent entspricht. Auch hier wird die starke Unterbewertung als Argument für einen Kursanstieg ins Treffen geführt.
Bei Pictet ist man der Ansicht, dass die Führungsrolle amerikanischer Aktien 2020 aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung enden wird, und betrachtet den Markt als stark überbewertet. Zudem stuft man die Erwartungen bezüglich der Gewinnentwicklung von US-Firmen als zu hoch ein.