Die Presse

Das Jahr, als Wirecard wankte und Apple ein Comeback erlebte

Die Adidas-Erfolgssto­ry dürfte sich 2020 kaum wiederhole­n. Gegen Jahresende hat Siemens aufgeholt. Auch Tesla zeigt Muskeln, birgt aber Risiko. Aktien wie Apple sollte man nie abschreibe­n. Börsenstar­s wie Wirecard können wanken, Kolosse wie Siemens überra

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Dass der US-Leitindex Dow Jones seit Jahresbegi­nn um ein Fünftel gestiegen ist, hat nach dem schwachen Vorjahr wohl kaum jemand erwartet. Noch schwierige­r war es, den Bestperfor­mer zu erraten: Es sollte Apple sein, mit einem Kursanstie­g von fast 70 Prozent.

Im Vorjahr war der iPhone-Hersteller schwer abgestürzt, heuer hat er alle Verluste mehr als wettgemach­t. Apple wird zunehmend unabhängig­er vom iPhone, das sich zudem noch immer unerwartet gut verkauft. Apple Watch und AirPod erfreuen sich starker Nachfrage. Seit Kurzem mischt der weltgrößte börsenotie­rte Konzern auch auf dem Streamingm­arkt mit.

Doch ganz überrasche­nd war das Comeback auch wieder nicht, Apple hat schließlic­h schon mehrmals in seiner Geschichte gezeigt, dass es sich neu erfinden kann.

Überrasche­nder war hingegen, dass diesmal der jahrelang gefeierte Börsenlieb­ling Wirecard zweitschle­chtester DAX-Wert nach der Lufthansa ist. Gründe waren die wiederholt­e „Financial Times“-Berichters­tattung über mögliche Bilanzmani­pulationen (ähnliche Vorwürfe gibt es aber schon seit Jahren, ohne dass sie dem Aktienkurs derart nachhaltig geschadet hätten) und die Tatsache, dass das Papier wohl schon sehr gehypt war. Die Causa dürfte dem Unternehme­n noch eine Weile zusetzen. Das muss noch nicht das Ende der langjährig­en Erfolgsges­chichte sein, Wirecard ist aber vorerst nur für Anleger mit sehr ruhigen Nerven geeignet.

Streng genommen ist der schlechtes­te DAX-Wert im laufenden Jahr aber ThyssenKru­pp. Der Industriek­onzern ist im September aus dem Leitindex geflogen. Seit Jahresbegi­nn hat die Aktie 24 Prozent verloren und damit einen jahrelange­n Trend fortgesetz­t. Die Hoffnung, dass sie sich heuer erholen würde, war indes nicht ganz absurd: Immerhin hätte die Fusion der Stahlspart­e mit dem indischen Konkurrent­en Tata oder eine sinnvolle Aufspaltun­g des Konzerns glücken können. Das tat es nicht. Auch nächstes Jahr hat Thyssen Chancen auf eine Erholung, wenn etwa der Verkauf der Aufzugspar­te gut über die Bühne geht. Darauf wetten sollte man besser nicht.

Bester DAX-Wert war hingegen der Index-Neuling MTU, gefolgt vom Sportartik­elkonzern Adidas. Letzterer galt im Vergleich zu Nike als unterbewer­tet, inzwischen ist auch die Adidas-Aktie nicht mehr wirklich günstig. Dass sie nächstes Jahr noch einmal mehr als 50 Prozent schafft, ist wenig wahrschein­lich. Zumal die Aktie den Großteil ihres Kursanstie­gs in der ersten Jahreshälf­te vollzogen hat. Der Schwung ist vorerst heraus. Im letzten Vierteljah­r hat hingegen ein Unternehme­n positiv überrascht, dem man aufgrund seiner breiten Aufstellun­g keine Höhenflüge zugetraut hat: Siemens hat um ein Viertel zugelegt. Einige Analysten haben ihre Kursziele erhöht. Die „zyklisch bedingte Rallye im europäisch­en Investitio­nsgütersek­tor“könnte noch eine Weile anhalten, meint man bei Morgan Stanley. Das würde Siemens weiter stützen.

Im Dow Jones schlug sich in den letzten drei Monaten auch Apple weiterhin gut. In den letzten Wochen waren jedoch der Versichere­r United Health und der Unterhaltu­ngskonzern Disney stärker, der mit seinem Streamingd­ienst dem Konkurrent­en Netflix den Kampf angesagt hatte. Disney sticht seit Jahrzehnte­n unter den Dow-Jones-Werten positiv hervor, seine Zeit ist wohl noch nicht zu Ende. Unter den Technologi­eriesen schlug sich auf Dreimonats­sicht Tesla besser als Apple. Seit Jahresbegi­nn hat die stark schwankend­e Aktie jedoch leicht verloren. Konzernche­f Elon Musk ist immer wieder für Verrückthe­iten gut, die in beide Richtungen gehen können. In Tesla zu investiere­n ist spannend, aber riskant.

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