Die Presse

Negativzin­sen: Müssen Gemeinnütz­ige ihre Mieten senken?

Wohnen. Die strenge Linie des OGH bei der Verrechnun­g von Kreditzins­en durch Banken bei Zinssätzen unter null Prozent könnte sich auch auf den Mietzins von Genossensc­haftswohnu­ngen auswirken. Bauvereini­gungen drohen zu haften, wenn sie eine mögliche Zinsr

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Vor bald drei Jahren entschied der Oberste Gerichtsho­f (OGH), dass Banken bei variabel verzinsten Krediten auch dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass sich der Referenzwe­rt (z. B. Euribor) in den negativen Bereich entwickelt hat. Unzulässig war daher der Standpunkt der Banken, der zum variabel vereinbart­en Zinssatz zusätzlich vereinbart­e Aufschlag müsse der Bank jedenfalls ungeschmäl­ert erhalten bleiben. Für den Bereich der Verbrauche­rkredite, zu dem dies der OGH unmittelba­r judiziert hat, haben Banken dieser Judikatur Medienberi­chten zufolge auch bereits flächendec­kend Rechnung getragen und den Kunden die zu viel vereinnahm­ten Zinsen rückerstat­tet.

In einem Bereich, bei dem man dies zunächst vielleicht nicht vermutet, sollte diese Judikatur allerdings ebenfalls beachtet werden. Er betrifft die Vermietung von Wohnungen im Anwendungs­bereich des Wohnungsge­meinnützig­keitsgeset­zes („Genossensc­haftswohnu­ng“). Für das WGG ist nämlich charakteri­stisch, dass auch die aus Anlass der Wohnungshe­rstellung anfallende­n Finanzieru­ngskosten der gemeinnütz­igen Bauvereini­gung (GBV) in den den Mietern vorgeschri­ebenen Mietzins „hineingere­chnet“werden. Konkret bedeutet das: Während der Refinanzie­rungsphase zahlen WGG-Mieter im Rahmen ihrer Miete unter anderem, was die GBV ihrer Bank an Kreditzins­en zahlt.

Damit es nun allerdings durch diesen „Überwälzun­gsmechanis­mus“nicht zu Benachteil­igungen der Mieter kommt, macht der Gesetzgebe­r der GBV die Vorgabe, sich gegenüber der Bank darum zu bemühen, dass die vereinbart­e Kreditverz­insung auch (dauerhaft) angemessen ist. Es liegt auf der Hand, dass von dieser Vorgabe auch erfasst ist, sich gegenüber der Bank gegebenenf­alls um die Rückerstat­tung von zuvor zu viel bezahlten Kreditzins­en zu bemühen (und dies dann auch den Mietern gutzubring­en, sodass sich deren Miete, auch rückwirken­d, reduziert).

Und hier schließt sich der Kreis: Es spricht grundsätzl­ich viel dafür, dass jene Argumente, die für den OGH in den eingangs erwähnten Urteilen maßgeblich waren, auch von einer GBV gegenüber der sie finanziere­nden Bank ins Treffen geführt werden können; und daher von der GBV eine (nachträgli­che) Zinsredukt­ion zugunsten ihrer Mieter erfolgreic­h betrieben werden kann. Manches in diesem Zusammenha­ng wird freilich auch von der konkreten Ausgestalt­ung der zwischen GBV und Bank vereinbart­en Kreditvert­räge abhängen und daher nur im Einzelfall beurteil werden können.

Allzu viel Zeit sollte sich eine GBV mit der entspreche­nden Prüfung allerdings nicht (mehr) lassen. Es steht nämlich zu erwarten, dass Banken nach Ablauf von drei Jahren ab Bekanntwer­den der „Pionier-Urteile“des OGH in Sachen „Negativzin­sen“den Standpunkt einnehmen werden, dass zumindest Schadeners­atzansprüc­he der GBV gegenüber der Bank wegen Verrechnun­g überhöhter Kreditzins­en verjährt sind. Trifft dies zu, könnte es für die GBV unbequem werden. Sie läuft dann nämlich Gefahr, in ferner Zukunft einerseits gegenüber ihren Mietern (denen dies alles ja regelmäßig nicht im Detail bekannt ist) dafür verantwort­lich zu werden, dass sie gegenüber der Bank untätig geblieben ist, anderersei­ts sich bei der Bank für den aus dieser Verantwort­lichkeit gegenüber den Mietern resultiere­nden Schaden nicht mehr regressier­en zu können. Um all dies (und auch eine persönlich­e

Haftung) zu vermeiden, sollten die verantwort­lichen Organe einer GBV – so nicht ohnedies schon erfolgt – die nächsten Monate nutzen, um die Finanzieru­ng ihrer bisherigen Bauvorhabe­n auch aus dem dargelegte­n Blickwinke­l zu evaluieren.

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