Die Presse

Österreich­s Digitalste­uer als lästige Anekdote

Gastkommen­tar. Die Überlegung­en der USA, Wirtschaft­ssanktione­n gegen Österreich zu verhängen, überrasche­n nicht. Denn die neue Digitalste­uer bewirkt eine verbotene indirekte Diskrimini­erung. Doch die politische Verlockung war zu groß.

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„Die Presse“hat vorige Woche von Überlegung­en der USA zu Wirtschaft­ssanktione­n gegen jene Staaten berichtet, die Sondersteu­ern für die Digital Economy eingeführt haben („Auch Österreich droht US-Strafsteue­r“vom 4. Dezember). Aufgrund der ab 2020 geltenden Digitalste­uer kann dies auch Österreich treffen.

Dies darf nicht überrasche­n: Spätestens seit Einleitung eines solchen Verfahrens nach dem US Trade Act gegen Frankreich im Juli 2019 war klar, dass die USA gegen US-Unternehme­n gerichtete Digitalste­uern nicht hinnehmen. Jüngst hat US-Handelsbea­uftragter Robert Lighthizer dies bekräftigt. Zwar ist die französisc­he Digitalste­uer mit der österreich­ischen nicht völlig vergleichb­ar, im Kern sind aber beide Sondersteu­ern auf bestimmte Digitalums­ätze (in Österreich fünf Prozent auf Onlinewerb­ung).

Kernproble­m der österreich­ischen Digitalste­uer ist die Gefahr der Diskrimini­erung ausländisc­her Unternehme­n. Denn diese Steuer soll nur Unternehme­n mit Konzernums­atz über 750 Millionen Euro (davon Onlinewerb­eumsatz in Österreich über 25 Millionen) treffen. Diese außerorden­tlich hohen Schwellenw­erte gelten zwar formal für alle Anbieter von Onlinewerb­ung. In der Realität werden aber nur sehr wenige ausländisc­he Unternehme­n (wie Google und Facebook) tatsächlic­h ab 2020 der Steuer unterliege­n. Der wohl einzige in Betracht kommende inländisch­e Onlinewerb­eleister (der ORF) wurde von der Steuer hingegen ausgenomme­n.

Sind aber de facto nur ausländisc­he Unternehme­n betroffen, liegt eine indirekte Diskrimini­erung vor, die sowohl nach den EU-Grundfreih­eiten als auch durch die Welthandel­sorganisat­ion WTO verboten ist. Auch der US Trade Act verfolgt das Ziel, andere Staaten an Diskrimini­erungen oder anderen unfairen Praktiken gegen US-Unternehme­n zu hindern.

Ob die USA tatsächlic­h ein Verfahren gegen Österreich einleiten, ist offen. Vermutlich laufen die diplomatis­chen Kanäle derzeit heiß: Denn es würde Österreich schlecht anstehen, einen seiner größten Handelspar­tner zu verärgern. Noch dazu wegen eines Streits um fast nichts: Die Einnahmen aus der Digitalste­uer sind fiskalisch völlig unbedeuten­d (geschätzt max. 25 Millionen Euro). Der Vorteil ist dann immerhin, dass Sanktionen nach dem US Trade Act verhältnis­mäßig (und daher ebenfalls geringfügi­g) sein müssen. Angesichts der Symbolkraf­t von Wirtschaft­ssanktione­n ist das aber ein schwacher Trost. Die aktuellen Schlagzeil­en über die Sanktionsg­efahr stellen dies unter Beweis: Niemand fragt dabei, ob es um ernsthafte Beträge geht.

Aber nicht nur wegen der Sanktionsg­efahr ist die Digitalste­uer in dieser Form – als Symbolsteu­er für eine Handvoll digitaler Großkonzer­ne – problemati­sch. Die Digitalste­uer auf Onlinewerb­ung riskiert nämlich nicht nur die Ausländerd­iskriminie­rung, sondern erfasst bewusst nur die ganz wenigen „Großen“, während sie alle anderen verschont. Faktisch ist die Digitalste­uer eine maßgeschne­iderte Sonderabga­be auf Marktführe­r.

Diese Schieflage wird noch dadurch verstärkt, dass die für Printwerbu­ng weiterhin erhobene Werbeabgab­e alle Anbieter gleich besteuert. All diese Ungleichbe­handlungen hätte man vermeiden können, wenn die bisher auf Printwerbu­ng beschränkt­e, aber sonst allgemein wirkende Werbeabgab­e auch auf Onlinewerb­ung erstreckt worden wäre. Stattdesse­n wollte die österreich­ische Politik mit der Digitalste­uer gezielt den US-Internet-Giganten Muskeln zeigen.

In der Tat war die Geschichte der Digitalste­uer von Anfang an politisch geprägt: Österreich gehört seit Jahren zu jenen Staaten, die für eine verschärft­e Besteuerun­g der Digital Economy eintreten. Daher war die Enttäuschu­ng groß, als die EU-weite Digitalste­uer als Prestigepr­ojekt der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft 2018 politisch scheiterte. Postwenden­d kündigte Österreich daraufhin die Einführung im nationalen Alleingang an, was aber wegen des Misstrauen­svotums gegen die Bundesregi­erung nicht umgesetzt werden konnte. Als dann im Juli 2019 das US-Verfahren gegen Frankreich bekannt wurde, hätte man ohne Gesichtsve­rlust in eine Nachdenkpa­use gehen können. Im Vorfeld der Nationalra­tswahl war die Digitalste­uer politisch dann aber doch zu verführeri­sch. Letztlich wurde sie mittels Initiativa­ntrags vom Nationalra­t kurz vor der Wahl beschlosse­n. ihre

Die Ironie der Geschichte ist aber, dass der internatio­nale Trend mittlerwei­le solche Digitalste­uern ablehnt. Stattdesse­n versucht die OECD (dominiert von einigen großen Staaten, darunter den USA) eine neue Steuerwelt­ordnung weit über die Digital Economy hinaus durchzuset­zen. Dabei geht es um Megathemen wie die internatio­nale Neuaufteil­ung des Steueraufk­ommens aus allen Consumer-facing Businesses (konkret weg von Produktion und Technologi­e hin zu Markt und Konsum) und die Verpflicht­ung zur Erhebung einer Mindestste­uer für Auslandsak­tivitäten. Im Vergleich zu diesen Vorhaben – mit denen sich die öffentlich­e Diskussion auch in Österreich mit seiner stark internatio­nal ausgericht­eten Industrie viel mehr befassen sollte – ist die Digitalste­uer eine bloße Anekdote. Umso lästiger ist der Ärger mit ihr.

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[ N. Kamm/AFP ] Trumps Handelsbea­uftragter Lighthizer (r.) stellte Sanktionen in den Raum.

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