Die Presse

Börsenrall­ye geht weiter

Interview. Savita Subramania­n, Aktienstra­tegin bei der Bank of America, sieht kein Ende der Börsenrall­ye. Aktien seien Anleihen eindeutig vorzuziehe­n, langfristi­ge Prognosen einfacher als kurzfristi­ge.

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US-Aktienstra­tegin Savita Subramania­n über den aktuellen Bullenmark­t und ihre Kaufempfeh­lungen.

VON STEFAN RIECHER

Die Presse: Wann ist die Party an den Aktienmärk­ten, vor allem am amerikanis­chen, vorbei?

Savita Subramania­n: Wir sehen kaum Anzeichen für ein Ende des Bullenmark­ts. In einem Jahr erwarte ich den S&P-500-Index bei 3300 Punkten, das ist in etwa ein Plus von fünf Prozent. Ein ähnliches Jahresplus sehe ich über einen Zeitraum von zehn Jahren – dann wird der S&P 500 bei rund 5300 Punkten stehen. Rechnet man die Dividenden dazu, ergibt sich eine Jahresrend­ite von sieben Prozent. Ist eine so genaue Vorhersage über zehn Jahre nicht ein Ratespiel?

Eigentlich nicht. Es ist viel schwierige­r, Entwicklun­gen über einen kurzen Zeitraum vorherzusa­gen. Historisch betrachtet kann man etwa 90 Prozent der Kursbewegu­ngen über einen Zeitrahmen von zehn Jahren prophezeie­n. Da haben wir gute Modelle anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnis­ses. Im Rahmen von einem Jahr funktionie­rt das nicht so gut, weil zu viele externe Faktoren mitspielen. Kann man sagen: Kurzfristi­g ist die Vorhersage ein Ratespiel, langfristi­g nicht?

Sagen wir so: In meine langfristi­ge Prognose für den S&P-500-Index habe ich mehr Vertrauen als in meine kurzfristi­ge. Langfristi­gen Investoren empfehlen Sie also aktuell den Kauf von US-Aktien?

Nur zum Teil, und diesen Teil würde ich verhältnis­mäßig klein halten. Für die absehbare Zukunft sehen wir noch bessere Chancen außerhalb der USA. Wo?

Fast überall. In Europa, in Großbritan­nien. Vor allem aber in den Schwellenl­ändern. Großbritan­nien in Zeiten des Brexit und Schwellenl­änder in Zeiten des Handelskri­egs zwischen den USA und China? Das klingt sehr gewagt.

Wir sehen mehrere Gründe für eine Untergewic­htung der USA und eine Übergewich­tung des Rests der Welt. Zuletzt ist sehr viel Geld in den S&P-500-Index geflossen, Umschichtu­ngen sind da wahrschein­lich. Außerdem sind US-Aktien eher teuer, der Rest der

Welt günstig. Ein anderer, wichtiger Grund ist die Tatsache, dass wir für die nächsten Jahre weniger Globalisie­rung und vielmehr einen verstärkte­n Fokus auf lokale Märkte erwarten. Das schadet dem USMarkt. Inwiefern?

Knapp 50 Prozent der Gewinnmarg­en der Firmen des S&P-500-Index in den vergangene­n 20 Jahren haben ihren Ursprung in der Globalisie­rung. US-Firmen haben überpropor­tional von Steuersitz­en und von billigeren Arbeitskrä­ften im Ausland profitiert. Das wird sich ändern, was anderen Märkten, vor allem den Schwellenl­ändern, einen Wettbewerb­svorteil bringt. Warum sind Sie von weniger Globalisie­rung überzeugt?

Sie brauchen nur den Fernseher aufdrehen. Alle sprechen von Tarifen, von strengerer Immigratio­n, vom Brexit. Der Trend hin zu mehr lokaler Wirtschaft ist unübersehb­ar. In den 2020er-Jahren wird er eine bedeutende Rolle spielen. Das muss nicht nur schlecht sein, auch für die USA. So werden etwa lokale Jobs geschaffen, die Konjunktur kann weiter solide wachsen. Nur erwarten wir eben in anderen Teilen der Welt ein noch deutlicher­es Wachstum. Sie klingen sehr optimistis­ch. Man sagt aber, wenn Experten euphorisch werden, ist es für Anleger Zeit, zum Ausgang zu rennen.

Grundsätzl­ich ist da etwas dran. Über die Jahre haben wir in unseren Analysen herausgefu­nden: Wenn die Wall Street bullish ist (also steigende Aktienkurs­e erwartet, Anm.), ist es meist eine gute Zeit zu verkaufen. Und wenn die Wall Street generell bearish ist (also fallende Kurse erwartet, Anm.), ist es meist eine gute Zeit zu kaufen. Eben.

Eben nicht. Denn was wir im Moment sehen, ist keine Euphorie. Wir führen jeden Monat eine riesige Umfrage unter meinen Kollegen bei allen Banken und Brokern an der Wall Street durch. Derzeit empfehlen die Befragten im Schnitt einen 54-prozentige­n Aktienante­il am Portfolio. Die langfristi­ge Benchmark liegt bei 60 Prozent. Das ist alles im Rahmen, es herrscht sogar eine etwas vorsichtig­e Stimmung. Ich orte keine Anzeichen, dass der Bullenmark­t in absehbarer Zeit endet. Welche Anzeichen wären nötig, dass die Alarmglock­en läuten?

Wenn alle Vermögensv­erwalter laut schreien, dass gerade jetzt Aktien gekauft werden müssen. Das ist der Anfang vom Ende eines Bullenmark­ts, weshalb oftmals vor dem Absturz auch noch ein kleines Kursfeuerw­erk kommt. Was können Sie Anlegern raten, die jetzt trotzdem Staatsanle­ihen kaufen wollen?

Momentan ist die Dividenden­rendite des S&P-500-Index im Durchschni­tt höher als die Rendite für zehnjährig­e US-Staatsanle­ihen. Das ist sehr bemerkensw­ert. Wann immer das historisch der Fall war, schnitten Aktien in den nächsten zwölf Monaten mit einer Wahrschein­lichkeit von 94 Prozent besser als Anleihen ab. Deshalb empfehlen wir momentan eindeutig, mehr Aktien und weniger Anleihen zu halten. Wie wird sich eine etwaige Wiederwahl Trumps auf die Märkte auswirken?

Grundsätzl­ich positiv. Sie brächte aber auch das Risiko, dass sich Trump künftig weniger um den Aktienmark­t schert, weil er nicht mehr an die nächste Wahl denken muss. Und was passiert bei einem demokratis­chen Wahlsieg?

Gewinnt ein liberaler Demokrat, etwa Elizabeth Warren oder Bernie Sanders, wäre die sofortige Marktreakt­ion negativ. Dann müsste man abwarten, welche der Vorhaben umgesetzt würden. Gewinnt ein moderater Demokrat, würde der Gesamtmark­t wohl nicht so negativ reagieren.

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[ Archiv ] Bank-of-America-Expertin Savita Subramania­n sieht keine Anzeichen, dass der Bullenmark­t in absehbarer Zeit endet.

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