Die Presse

Die Ausbürgeru­ng des IS-Kämpfers

Syrien. Die Stadt Wien entzieht dem mutmaßlich­en IS-Anhänger Azad G. die österreich­ische Staatsbürg­erschaft. Doch damit wäre sein Sohn staatenlos, sagt der Vater der „Presse“.

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Wo ist Azad G.? Die Spuren des Wieners, der sich mutmaßlich dem sogenannte­n Islamische­n Staat (IS) angeschlos­sen hatte, verlieren sich im Norden Syriens. Nach der Schlacht von Baghuz im März, als der IS besiegt wurde, kam G. in kurdische Gefangensc­haft. Seither hat seine Familie weder von ihm gehört, noch eine Nachricht über seinen Verbleib erhalten – so er denn noch am Leben ist. Ungeachtet dessen will die Stadt Wien G. die österreich­ische Staatsbürg­erschaft entziehen. Die entspreche­nde Prüfung sei erfolgt und ein Bescheid der zuständige­n Magistrats­abteilung MA 35 abgesendet, hieß es vor einigen Tagen.

Den Ausschluss aus der Staatsbürg­erschaft prüfte der Magistrat gemäß Paragraf 33 des Staatsbürg­erschaftsg­esetzes: „Einem Staatsbürg­er, der freiwillig für eine organisier­te bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandl­ungen im Ausland im Rahmen eines bewaffnete­n Konfliktes teilnimmt, ist die Staatsbürg­erschaft zu entziehen, wenn er dadurch nicht staatenlos wird.“

Nur: Der Vater von Azad G. beteuert, dass G. kein Doppelstaa­tsbürger sei, sondern nur Österreich­er. Er selbst sei als Flüchtling aus der Türkei nach Wien gekommen, habe später die türkische zurückgele­gt und die österreich­ische Staatsange­hörigkeit angenommen. Azad (28) ist in Wien geboren – da hatten seine Eltern noch Flüchtling­sstatus – und sei somit in der Türkei nie registrier­t worden, auch nicht über die türkische Botschaft in Wien, sagt der Vater der „Presse“: „Er hat mit der Türkei nichts zu tun. Seinen Präsenzdie­nst hat er auch hier geleistet.“Demnach wäre G. nach dem Entzug durch die MA 35 staatenlos.

Dass dieser Fall nicht eintritt, sei sehr wohl geprüft worden, heißt es knapp von der MA 35: „Die Staatsbürg­erschaft wurde in einem behördlich­en Verfahren nach rechtsstaa­tlichen Grundsätze­n mit entspreche­nder Beweiswürd­igung ermittelt.“Man habe darüber hinaus mit dem Landesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­s (LVT) zusammenge­arbeitet, da die

MA 35 keine Möglichkei­t habe, vor Ort zu ermitteln.

Einen Bescheid von der Magistrats­abteilung habe der Vater bislang nicht erhalten, sagt er. Das Magistrat gibt jedoch an, einen Abwesenhei­tskurator bestellt zu haben, den ein Amt dann einsetzt, wenn Personen als unauffindb­ar oder verscholle­n gelten und wenn kein Vertreter verfügbar ist. Schriftstü­cke ergehen an ihn. Der Abwesenhei­tskurator sei aber mit der Familie noch nicht in Kontakt getreten, erklärt der Vater.

Bekannt wurde der Fall Azad G., als ihn zwei Kämpferinn­en der Frauenvert­eidigungse­inheiten (YPJ) in Baghuz festnahmen und vor laufender Kamera interviewt­en. G. erzählte, dass er eigentlich selbst kurdischer Alevit sei und es bereue, sich dem IS angeschlos­sen zu haben. Er habe im Jahr 2015 ohne Schwierigk­eiten die türkischsy­rische Grenze passieren können. Doch G.’s Verbindung­en zur Terrormili­z reichen offenbar weiter zurück. So erwähnt er im besagten Video kurz die Jahreszahl 2012 – damals dürfte er sich das erste Mal nach Syrien eingeschle­ust haben.

Es war ein kurzer Aufenthalt, denn G. geriet in einen Schusswech­sel und wurde verletzt. Er schaffte es in die Türkei, wurde dort vermutlich erstversor­gt und kam dann nach Wien, wo er mehrere Monate blieb. Er dürfte in dieser Zeit Mindestsic­herung bezogen haben, was zu einem Zwist zwischen der Landesregi­erung und dem FPÖ-Innenminis­terium unter Herbert Kickl geführt hatte. Dann, 2015, machte sich G. erneut auf den Weg zum IS.

Heuer im Frühjahr hieß es vom Außenminis­terium, dass Azad G. „keinen Rückkehrwu­nsch“geäußert habe. Sein Vater negiert das; G. habe mehrmals versucht, aus Syrien zu flüchten und sei bei einer Gelegenhei­t auch von IS-Kämpfern erwischt und festgenomm­en worden. Als Kurde habe man ihn im IS-Gefängnis schlecht behandelt, sagte G. in dem Video. Er berichtete, dass er in Wien von Islamisten, die „eine Maske aufgesetzt“hätten, nach Syrien gelockt worden sei. Die Demokratis­chen Kräfte Syriens – in den Händen des Militärbün­dnisses befand sich G. zuletzt – dürften dessen Rolle innerhalb des IS wohl nicht als harmlos einstufen.

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