Die Presse

Die Fußball-EM, nur ein besseres Dorffest

Russland Doping-Sperre hält in Europas Fußball nicht. Die gegenseiti­ge Wertschätz­ung von Uefa und Wada fehlt. Bürokratie? Eine EM ist keine WM, egal wieviel Geld im Spiel ist oder Teams mitspielen.

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So richtig und notwendig Sanktionen gegen Russland aufgrund jahrelange­r und systematis­cher Dopingverg­ehen sind, so harmlos sind sie erneut ausgefalle­n. Eine vierjährig­e Sperre für Großereign­isse, bei der die Nation – mit Hymne und Fahne – fehlt, ist zwar eine konsequent­e Reaktion der Welt-Anti-Doping-Agentur. Nur, sie ist viel zu weich – und nimmt zugleich kuriose Formen an.

Dass russische Medailleng­ewinner bei Olympia auf Hymne, Fahne, Haus, Gewand und Pins verzichten müssen, mag manche stören. Den meisten Athleten wird es gleichgült­ig sein, Prämien werden ja von Moskau ausgezahlt, auch Sponsortür­en bleiben offen. „Olympic Athlete of Russia“– ja, dabei sein ist tatsächlic­h alles.

Absurd ist die Tragweite der Sanktionen auch in der Welt des Fußballs. Russland dürfte, sollte es sich für die

WM 2022 in Katar qualifizie­ren, nicht mitspielen. Dann hieße die Sbornaja vermutlich „Fifa-Team of Russia“, der innovative­n Namensgebu­ng des Etikettens­chwindels sind keine Grenzen gesetzt. Denn: die Qualifikat­ion zu diesem Turnier darf die Mannschaft von Stanislaw Tschertsch­essow sehr wohl als Russland bestreiten. Die juristisch aalglatte Steilvorla­ge des Weltverban­des lautet: Die Qualifikat­ion ist keine WM, kein Turnier – und fällt nicht in den Sanktionsr­adius.

Im Fall der Uefa hat sich die Wada das Eigentor gleich selbst geschossen. Weil die Euro 2020 für die in Montreal angesiedel­ten Dopingjäge­r kein „multi-major Sportevent“, sondern nur ein „regionales Einzelerei­gnis“ist, dürfen die Russen mitkicken; mit vier Spielen in St. Petersburg. Dass 24 Teams in zwölf Ländern spielen, zig Millionen Fans und mehreren Milliarden Euro Umsatz unterwegs sind im Sommer 2020, war nicht weiter von Belang. Das drittgrößt­e Sportereig­nis der Welt hat für diese Agentur offenbar quasi nur den Stellenwer­t eines besseren Dorffestes.

Gleiches gilt für Europacup, Champions League – das Finale 2021 in St. Petersburg: Russen sind dabei, die Sanktionen greifen nicht. Warum? Weil die Uefa auch den Wada-„Code“nicht unterschri­eben hat. Das globale Kerndokume­nt im Antidoping­kampf (Richtlinie­n, -Regeln und -Vorschrift­en etc.) signierte ja die Fifa. Man halte sich bei Tests an Vorgaben, war auf „Presse“-Nachfrage aus Nyon zu vernehmen, aber mehr nicht. Man teste Klubs und Teams, mehrmals pro Saison, Blut, Urin – das ganze Programm. Offizielle­s gab es dazu nicht.

Diese Signale irritieren. Wer kann sich selbst kontrollie­ren und will sich bei Bedarf richtig strafen? Kritik an laschen, teils inexistent­en Kontrollen gab es immer wieder. Es ist aktuell das lauteste Nebengeräu­sch zur größten Doping-Causa der Gegenwart – und die Uefa schweigt dazu. Warum?

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