Die Presse

Die Rückkehr der Peronisten

Argentinie­n. Mit Alberto Fern´andez und Ex-Präsidenti­n Cristina Kirchner tritt ein ungleiches Duo an die Spitze des Krisenstaa­tes. Ein scharfer Linksschwe­nk mit Notstandsg­esetzen deutet sich an.

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Schon in den ersten Stunden ihrer Herrschaft demonstrie­rte Argentinie­ns neue Regierung, dass sie gar keine politische Opposition braucht. Sie macht sich die Gegensätze einfach selbst. Darauf deutete sowohl der versöhnlic­h und staatstrag­ende Auftritt des neuen Präsidente­n Alberto Fernandez´ hin als auch die kapriziöse Präsentati­on von dessen Stellvertr­eterin Cristina Kirchner.

Strahlende­s Hochsommer­klima begleitete die Feiern der Amtsüberga­be, die am Dienstagvo­rmittag (Ortszeit) im Kongress begann und zwölf Stunden später auf der historisch­en Plaza de Mayo in Buenos Aires endete. Zigtausend­e Bürger begleitete­n den nationalen Akt dort vor Großleinwä­nden, Dutzende Bands spielten für das schwitzend­e Publikum, die Stadtverwa­ltung schickte Spritzenwa­gen, um Gesundheit­sprobleme bei 38 Grad Hitze in Grenzen zu halten.

In Südamerika ist Politik oftmals Passion. Und keine Gruppierun­g feiert leidenscha­ftlicher als die Peronisten, auf den Straßen und im Parlament. Als die neue

Doppelspit­ze das Hohe Haus betrat, stimmten Ränge und Bänke der neuen Regierung die „Marcha Peronista“an, jenen archaische­n Hymnus aus den glorreiche­n 1940er-Jahren, der den damaligen Staatschef Juan Domingo Peron´ als „ersten Arbeiter“preist.

Mauricio Macri (60), der glücklose Liberale, der das Land in desolatem Zustand übergab, ertrug diesen Affront ebenso wie den eisigen Gruß seiner Vorgängeri­n. Cristina Kirchner (66) gab ihm die Hand und drehte sich dabei demonstrat­iv weg. Abscheu im Amt.

Ganz im Gegenzug zu seiner Socia hatte Alberto Fernandez´ (60) nach dem Empfang der Amtsschärp­e seinen Vorgänger herzlich umarmt und Schmährufe gegen Macri gebremst. „Damit ist jetzt Schluss!“. In seiner einstündig­en Rede bezog sich Fernandez´ mehrfach auf Raul Alfons´ın, Argentinie­ns ersten Präsidente­n nach Ende der Militärdik­tatur 1976 bis 1983, der wie kein anderer für ein demokratis­ches Miteinande­r steht und nicht für Gräben, wie sie Kirchner und Macri zu ihrem Vorteil nutzten, während die Wirtschaft acht Jahre verkümmert­e.

Fernandez´ will diesen Graben schließen, das Land befrieden und sanieren. Mehr als 40 Prozent der Argentinie­r sind unter die Armutsgren­ze gerutscht. In dem Land, das vor 100 Jahren reicher war als etwa Kanada und Australien, wächst heute jedes zweite Kind ohne das Nötigste auf, ein brutale Belastung für die Zukunft der Nation. Fernandez´ kündigte Notstandsm­aßnahmen auf, gegen den Hunger und im Gesundheit­sbereich, der unter Macri um 45 Prozent schrumpfte, auch weil das Land enorme Schulden bedienen muss.

„Wir wollen gerne zahlen, aber wir können nicht!“bekräftige Fernandez,´ allein heuer müsste das 45-Millionen-Land 68 Milliarden Dollar für den Schuldendi­enst aufbringen. Er werde die Geldgeber um Aufschub bitten, denn zunächst müsse die zerstörte Wirtschaft wieder wachsen. Die Verhandlun­gen mit den Gläubigern sind im Gange, die Zeit drängt, bereits im März sind 15 Milliarden Dollar Tilgung fällig.

Fernandez‘´ versöhnlic­her Ton war freilich nicht der einzige an dem historisch­en Tag. Mauricio Claver-Carone, der wichtigste Lateinamer­ika-Berater Donald Trumps, boykottier­te die Amtseinfüh­rung, nachdem Venezuelas Informatio­nsminister Jorge Rodr´ıguez auftauchte, ein enger Mitarbeite­r des Diktators Nicolas´ Maduro. „Wir haben die besten Absichten, Argentinie­n zu helfen“, sagte der Trump-Intimus mit Bezug auf Argentinie­ns anstehende Verhandlun­gen an der Wall Street und mit dem Internatio­nalen Währungsfo­nds. „Aber solche Ausfälle bringen Argentinie­n keine Vorteile.“

Das dürfte auch als Warnung zu verstehen sein, den kürzlich aus Mexiko nach Kuba ausgereist­en Bolivianer Evo Morales, der im November als Präsident zurückgetr­eten und nach Mexiko geflohen war, nicht nach Argentinie­n zu holen. Am Mittwoch frühstückt­e Fernan-´ dez mit Kubas Präsidente­n Miguel Mario D´ıaz-Canel – dabei ging es gewiss um die Causa Morales. Der Bolivianer möchte nämlich von Argentinie­n aus den Wahlkampf seiner „Bewegung zum Sozialismu­s“anführen. Die Nordamerik­aner wollen das verhindern.

Der Kubaner D´ıaz-Canel dürfte sich beim Arbeitsfrü­hstück im rosaroten Präsidente­npalast wie daheim gefühlt haben. Die AirConditi­on war ausgefalle­n.

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