Bettelverbot auf Christkindlmärkten könnte fallen
Innsbruck. Der grüne Bürgermeister, Georg Willi, will mit einem Antrag das Verbot in einer Gemeinderatssitzung am Donnerstag kippen. Die SPÖ ist dafür, die ÖVP dagegen. Zünglein an der Waage wird die Liste Für Innsbruck sein.
Für Franz Raith ist immer Weihnachtszeit. Zumindest schaut es bei ihm so aus. Er ist umgeben von Christbäumen, und wenn man durch sein Hoftor kommt, schlägt einem gleich der entsprechende Duft entgegen. 80.000 bis 100.000 Bäume werden es etwa sein, sagt er bei einem Besuch der Plantage im Waldviertler Ort Rodingersdorf.
Die Bäume, die direkt hinter seinem „Christbaumhof“wachsen, reichen so weit man sieht. Franz Raith ist Christbaumbauer – und er ist auch Obmann der Niederösterreichischen Christbaumbauern und als solcher nun im Dauereinsatz. Seit Mitte November werden Bäume ausgeliefert, jüngst war er in Sachen Christbäume auch in Brüssel: Wie seit Jahren wurde der Baum fürs EU-Parlament wieder aus Niederösterreich geliefert, Raith nennt das „sanften Lobbyismus“. Dem Geist der Zeit entsprechend wurde der Baum übrigens erstmals per Lkw statt per Flugzeug geliefert.
Am Donnerstag startet nun der Standverkauf der Niederösterreichischen Christbaumbauern (ihre Bäume erkennt man an der blaugelben Schleife) in Wien. 2,5 Millionen Bäume werden es dieses Jahr sein, die in Österreich gefällt und aufgestellt werden, damit stammen rund 90 Prozent der 2,7 Millionen in Österreich aufgestellten Naturbäume aus dem Inland – eine Million allein aus Niederösterreich.
Der Anteil der heimischen Bäume steigt, und das, obwohl mehr und mehr Baumärkte, Möbelketten oder große Supermärkte Christbäume verkaufen. Gerade dort findet sich Import-Ware, und das oft zu Dumpingpreisen: 9,90 Euro, 19,90 Euro usw.
Um solche Preise, sagt Raith, erhält man vor allem Bäume aus Norddeutschland oder Dänemark. Dort wurde lang zu viel gesetzt, die Preise sind verfallen, riesige Christbaumbetriebe pleitegegangen – nun lassen Konkursverwalter die Plantagen abholzen und verkaufen die Bäume zu Billigstpreisen.
Raith spricht von „Schrottbäumen“, von „baumähnlichen Gebilden“. Aber früher war der Anteil importierter Bäume mit 30, 40 Prozent viel höher, mittlerweile verkaufen, so Raith, auch große Märkte heimische Bäume. Der Großteil, um die 80 Prozent, wird ohnehin am Hof oder an den Ständen der Bauern gekauft. Mittlerweile sind es fast nur noch Nordmanntannen, die nadeln wenig, und ihre Nadeln stechen nicht. Nur in Teilen Westösterreichs hält sich die duftende Fichte hartnäckig.
Im Waldviertel herrscht derzeit Hochbetrieb. War das Geschäft mit Christbäumen für viele Bauern früher ein kleiner Nebenerwerb, so macht es heute einen wesentlichen
Teil des Geschäfts derer, die Plantagen betreiben, aus. Die Bäume sind einträglicher als Lebensmittel. „Mit Milch“, sagt Raith, „kommt ein Bauer heute auf 3,50 Euro Stundenlohn“, bei Christbäumen seien es 35 Euro pro Stunde.
Die Arbeit in der Hochsaison machen heute zum großen Teil Arbeiter aus dem Osten. In Österreich, sagt Raith, finde man dafür niemanden. Er hat an seinem Hof für einige Wochen sechs Rumänen beschäftigt. Es sind Arbeiter, die, je nachdem, was gerade wo Saison hat, durch Europa reisen, um auf Feldern und Plantagen zu arbeiten – und zur Christbaumsaison immer wieder ins Waldviertel kommen. Geschnitten wird dort nach Mondphasen. Daran, sagt der Christbaumbauer, glaube er zwar nicht. Er hätte auch selbst getestet, ob ein Mondphasen-geschnittener Baum weniger schnell die Nadeln verliert als ein anderer („kein Unterschied“). „Aber die Leute fragen das nach, anlügen will ich sie nicht, soll so sein, schneiden wir eben nach Mondphase“, sagt er und lacht.
Der Preis für Bäume ist in etwa stabil geblieben. Er liegt, je nach Schönheit, also Dichte, bei zehn bis 30 Euro pro Meter. Und das, obwohl es heuer schon zum dritten Mal in Folge zu erheblichen Ausfällen gekommen ist. „Wir spüren den
Das in Innsbruck 2015 beschlossene temporäre Bettelverbot auf Sondermärkten wie beispielsweise den Christkindl- und Ostermärkten wackelt. Bürgermeister Georg Willi (Grüne) will mit einem Antrag seiner Fraktion das Verbot in einer Gemeinderatssitzung am Donnerstag kippen.
Ein Vorhaben, das die Viererkoalition in der Stadt spaltet. Denn die SPÖ will mitgehen, die ÖVP hingegen ist dagegen. Zünglein an der Waage ist die Liste Für Innsbruck der früheren Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer. Willi, seit Mitte 2018 direkt gewählter Bürgermeister der Stadt, rechtfer
Klimawandel ganz deutlich“, sagt Raith und zeigt auf die vordersten, schön dichten Reihen der größten Tannen, die er in seiner Plantage hat. Zwischen den Acht-MeterBäumen liegen Schläuche, sie können bewässert werden.
Die hinteren Reihen nicht, sie schauen magerer aus, teils verlieren sie Nadeln. Hitze und Dürre des Sommers setzten ihnen zu. Obwohl die Tannen tief wurzeln, auch bei Dürre Wasser aus dem Boden ziehen, sieht man den Effekt. Aber gerade bei Jungpflanzen und nicht verwurzelten Setzlingen wurden erhebliche Ausfälle verzeichnet.
Überhaupt wird die Frage nach dem Klima- und Öko-Faktor auch bei Christbäumen zunehmend Thema. Pauschal lässt sich kein CO2-Wert eines Christbaums bestimmen, das hängt von Aufzucht und besonders Transportwegen ab. Einen Plastikbaum müsste man, das hat einmal eine australische Studie errechnet, übrigens 17 Jahre immer wieder aufstellen, um auf dieselbe CO2-Bilanz eines jährlichen (lokal geernteten) Naturbaums zu kommen.
Während sie wachsen, sind die Bäume CO2-Speicher – werden sie später verbrannt (wie das in Wien nach der Christbaumsammlung im tigt seinen Vorstoß damit, dass aggressives, aufdringliches und gewerbsmäßiges Betteln aufgrund des Landespolizeigesetzes ohnehin schon verboten seien und das damit ausreichen würde.
Die ortspolizeiliche Verordnung, die auf Sondermärkten auch stilles Betteln unter Strafe stellt, will er aber zu Fall bringen. Die Aufhebung des Verbots soll mit den Ostermärkten im kommenden Jahr bereits in Geltung sein.
„Solche Verbote passen überhaupt nicht zum Image dieser Stadt. Und auch nicht zum Lebensgefühl der Menschen“, hatte Willi erst kürzlich gegenüber der
Fernwärmewerk passiert), freilich wieder CO2 frei.
Mitunter wurde das Abholzen von Millionen Christbäumen dementsprechend als „ökologische Katastrophe“bezeichnet – schließlich werden mit dem Abholzen der Bäume jedes Jahr große CO2-Speicher (ein Hektar Christbaumkultur speichert im Jahr mehr als zehn Tonnen CO2) aufgelöst. Aber, so geben die Christbaumbauern zu bedenken, ohne späteren Einsatz als Christbäume würden die Bäume nicht angesetzt – und es wird umgehend nachgesetzt.
Ein weiterer Kritikpunkt von Umweltschützern ist ein, wie es heißt, auf Monokultur-Plantagen (und für die gefragte Optik der Bäume) notwendiger starker Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden. Die Nachfrage nach biozertifizierten Christbäumen steigt entsprechend.
Franz Raith hält dem entgegen, die Bäume würden kaum gegen Insekten behandelt. Nur ein einziges Mal – und das mit einem Mittel, das auch bei Salat verwendet werden kann. „Den darf man dann vier Tage später essen.“Das, sagt Raith auf seinem Hof, sei „die ökologischste Christbaumproduktion“, besser für Böden und Biodiversität seien nur Wald oder Magerwiese. Was hält er von lebenden Christwird
„Presse“gesagt. „Wir sind eine junge und durch die Nähe zu den Bergen alpin-urbane Stadt. Verbote stellen einen Widerspruch zu diesem Selbstverständnis dar.“
Die SPÖ will dem Antrag zustimmen. Beide Parteien hatten sich auch bereits im Jahr 2015 gegen die Verordnung ausgesprochen. Vehement gegen die Aufhebung positionierte sich die ÖVP.
„Es ist nicht herzlos und unchristlich, wenn wir gegen organisierte Gruppen vorgehen. Ein Bettelverbot ist nicht der Kampf gegen die Armen. Es ist der Kampf gegen bäumen, die von Wohlmeinenden, die keinen Baum für ein paar Tage Wohnzimmer-Einsatz gefällt wissen wollen, vermehrt gekauft oder gemietet werden, um später wieder eingesetzt zu werden?
Da zitiert Raith einen Freund, der meinte, gebe es Pflanzenschutzgesetze, wie es Tierschutzgesetze gibt, wäre das längst verboten. Töpfe, in denen man die Tannen in Wohnräume stellt, seien viel zu klein, Tannen wurzeln ja tief, außerdem setze die Wärme lebenden Bäumen zu. Sie meinten, es sei Frühling, und würden meist früher oder später eingehen.
Obwohl solche Öko-Fragen häufiger gestellt werden, sieht Raith das Geschäft gelassen. Die Christbaumnachfrage ist stabil. „Als die Tendenz zu immer mehr Single-Haushalten aufgekommen ist, gab es Prognosen, die Bäume würden weniger. Aber im Gegenteil: Trotzdem hat jeder einen Baum“, sagt er, zitiert Statistiken, wonach in 72 Prozent der heimischen Haushalte ein Naturchristbaum steht. Und für die, die einen solchen haben, hat Raith einen Rat: „Ich red’ den Leuten immer ein, lasst’s den Baum stehen bis Lichtmess (2. Februar), so hat man doch viel mehr davon.“ jene, die die Armen ausnutzen“, sagt Vizebürgermeister Franz Xaver Gruber. In dieselbe Kerbe schlägt FPÖ-Stadtparteiobmann Rudolf Federspiel und sieht einen Schaden für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Innsbruck.
Entscheidend wird das Abstimmungsverhalten der Liste Für Innsbruck. Sie hatte als damalige Bürgermeisterfraktion im Jahr 2015 noch maßgebend für die Verordnung gestimmt, ließ nun aber ihr Votum vorerst offen.
Grüne, SPÖ und Für Innsbruck verfügen im 40-köpfigen Gemeinderat über 21 Mandate und damit eine knappe Mehrheit. (APA)