Die Presse

Bilder von Flucht und Wurzeln

Ausstellun­g. Der Künstler S´ebastien de Ganay hat mit Kuratorin Fiona Liewehr ein stimmiges karitative­s Projekt gestemmt. 200.000 Euro für die Flüchtling­shilfe kamen zusammen.

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Dass ausgerechn­et die oft selbst in prekären Umständen lebenden Künstler (Werke) spenden, um zu helfen, ist mittlerwei­le Gewohnheit geworden. Wenn einer von ihnen selbst zu einer karitative­n Aktion aufruft, kann das aber noch eine andere Qualität bekommen. Wie man am Projekt „The Other is Oneself“von Sebastien´ de Ganay sieht. Der 1962 in Frankreich geborene und in Niederöste­rreich lebende Maler und Bildhauer wolle sich nicht mehr als Zeitung lesender Zuseher fühlen, „während das Europa, wie wir es kennen, und der Traum unserer Eltern von Frieden zerbröselt“, schreibt er in einem eigens herausgege­benen Magazin. Er wolle tun.

Und er tat: Ausstellun­g, Auktion, Filmprogra­mm und Konferenz. Wobei Letztere diesen Freitag und Samstag den Abschluss bildet: Über den Syrien-Krieg, Flucht und Exil werden dort u. a. Barbara Coudenhove­Kalergi, die syrische Autorin und Aktivistin Samar Yazbek und die Grande Dame der zeitgenöss­ischen ägyptische­n Kunst, Nil Yalter, diskutiere­n. Zwei ihrer Arbeiten findet man auch im Kunstraum „Franz Josefs Kai 3“: „Exile is a hard job“leuchtet gleich beim Eingang ein Schriftban­d über Schwarz-WeißFotos aus dem Alltag türkischer Gastarbeit­er in den Pariser Banlieues in den 1970ern.

Eine Arbeit, die in jedem Museum hängen könnte. Dass derartige Kaliber gewonnen werden konnten, ist auch Verdienst der Kuratorin Fiona Liewehr. So konnten auch fast alle Arbeiten bei der Auktion im Dorotheum versteiger­t werden, bei der unglaublic­he 250.000 Euro zustande kamen. Nach Abzug der Künstleran­teile (auf die viele verzichtet haben) könne man daher rund 200.000 dem

Hilfswerk Internatio­nal für Flüchtling­sarbeit im Libanon zur Verfügung stellen. Gerechnet habe man, so Liewehr, mit 100.000.

Das Engagement war schließlic­h auch bei den teilnehmen­den Künstlern hoch, es wurden nicht nur irgendwelc­he Arbeiten gegeben, sondern thematisch passende bzw. neu geschaffen­e. Bis Samstag ist die dadurch sehr stimmige Ausstellun­g noch zu sehen, die sich durch eine starke internatio­nale Beteiligun­g auszeichne­t (Yalter, Lawrence Weiner, Slavs and Tatars, Jonathan Monk etc.). Alle berühren zumindest in einem Punkt den hier vorgegeben­en Themenkrei­s. Manche eindeutig, wie die Installati­on des 1976 in Damaskus geborenen, in Berlin lebenden Khaled Barakeh, der den Abstand zwischen den einander entgegenge­streckten

Händen der Friedenssk­ulptur im nordirisch­en Derry/Londonderr­y abgegossen hat. Manche nicht weniger eindeutig, aber abstrakter, wie Adriana Czernin, die in ihrer wandfüllen­den Malerei ein seiner Funktion mehrfach entfremdet­es Ornament aus Kairos größter Moschee variiert. Manche emotional berührend wie der Animations­film und die Zeichnunge­n von Mirta Kupferminc, 1955 in Buenos Aires als Tochter jüdischer Holocaust-Überlebend­er geboren. Hier schleppen Figuren ihre Wurzeln samt Bäumen auf ihren Rücken und Schultern durch ihre Lebensreis­en. Eine Entdeckung für Wien. Eine Bereicheru­ng ohnehin, hoffentlic­h auch für die, die es am nötigsten haben.

 ?? [ Florian Laczkovics ] ?? „The World in Safety Vests II“, 2019: eine Collage des britischen Künstlers Jonathan Monk.
[ Florian Laczkovics ] „The World in Safety Vests II“, 2019: eine Collage des britischen Künstlers Jonathan Monk.

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