Die Presse

Entmachtun­g des Chefs, zweiter Akt

Die Reform der Bankenaufs­icht könnte dafür genützt werden, um den Notenbankc­hef weiter zu isolieren.

- VON KAMIL KOWALCZE

Die Reform der Bankenaufs­icht könnte dafür genützt werden, um Notenbankc­hef Holzmann weiter zu isolieren.

Man könnte meinen, dass es nun endlich ruhig wird in der Österreich­ischen Nationalba­nk (OeNB). Der neue Gouverneur, Robert Holzmann, hat sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit einige Schnitzer geleistet, anschließe­nd taktische Fehler begangen und muss sich nun der vom ihm unterschät­zten Kraft der OeNB-Seilschaft­en beugen.

Die Konsequenz seiner Niederlage besiegelte am Dienstag der Generalrat: Holzmann verliert die Personalag­enden an Thomas Steiner, die Compliance an Gottfried Haber. Beide Direktoren sind mithilfe der ÖVP in die OeNB eingezogen, Holzmann über die FPÖ. Der Gouverneur darf sich dafür künftig im Ausland austoben: Internatio­nale Beziehunge­n und die gesamte Geldpoliti­k, die sowieso über EZB in Frankfurt läuft, sind nun gänzlich bei ihm. Im Haus am Otto-Wagner-Platz wird Holzmann allerdings nicht mehr viel zu melden haben.

Fast nichts. Denn immerhin bleibt er Notenbankc­hef – und hat damit das Dirimierun­gsrecht im vierköpfig­en Direktoriu­m. Sollte es bei einer Abstimmung zu einem Unentschie­den kommen, weil beispielsw­eise die beiden ÖVP-nahen Direktoren auf der einen Seite und Holzmann mit dem FPÖnahen Direktor Eduard Schock auf der anderen Seite gemeinsam stimmen, dann hat der Gouverneur das Recht, eine Entscheidu­ng herbeizufü­hren.

Und genau hier liegt der Grund, wieso es künftig nicht ruhiger wird in der Notenbank. Denn mit dem Schwung dieser erfolgreic­hen Teilentmac­htung Holzmanns wollen die OeNB-Strippenzi­eher, angeführt vom Wirtschaft­skammer- und Generalrat­spräsident­en, Harald Mahrer, auch dieses Restrisiko aus der Welt schaffen, so das Narrativ. Hinter den Kulissen sollen bereits die Fäden gezogen werden – und zwar mitten in den Koalitions­verhandlun­gen. Über eine Schiene, die bei vielen ein Dej`´a-vu auslösen dürfte: Eine Reform der Finanzmark­taufsicht (FMA).

Bankenaufs­icht in Notenbank bündeln

Kurzer Rückblick: Die ÖVP-FPÖ-Regierung hatte beschlosse­n, dass die zwischen der FMA und OeNB aufgeteilt­e Bankenaufs­icht gänzlich zur FMA wandern soll. Vor allem die ÖVP hat sich stark dafür eingesetzt. Die Begründung lautete, dass die Aufsicht dort den Steuerzahl­er billiger kommen würde. Die FMA-Doppelspit­ze, bis 2023 mit dem ÖVP-nahen Klaus Kumpfmülle­r und SPÖnahen Helmut Ettl besetzt, sollte zu einem Alleinvors­tand umfunktion­iert werden. Der farblich nicht zu türkis-blau passende Ettl hätte mit Jahresende gehen sollen. Doch kurz bevor das Gesetz im Parlament beschlosse­n werden konnte, sprengte das Ibiza-Video die Regierung – die Reform wurde gestoppt. Schon damals waren im Gesetz Passagen enthalten, die nicht direkt etwas mit der Bankenaufs­icht zu tun hatten, beispielsw­eise die Erhöhung der Ausschüttu­ngsquote der Notenbank an die Republik von 90 auf 95 Prozent.

Nun könnte die Unklarheit über die Zukunft der FMA-Reform erneut dafür genutzt werden, um sich parteipoli­tischen Einfluss zu sichern. Nur diesmal umgekehrt: Die FMA soll in die Notenbank wandern. Dabei gäbe es zwei Optionen: Entweder zur Gänze, wo sie als OeNB-Tochterges­ellschaft agieren beziehungs­weise eine Hauptabtei­lung werden könnte, oder indem man nur die Bankenaufs­icht herauslöst und in die OeNB verlagert, während die FMA weiterhin den restlichen Finanzmark­t überwacht. Die erste Variante wäre mit einer einfachen Mehrheit im Nationalra­t umzusetzen, die zweite bräuchte eine Zweidritte­lmehrheit.

Finanzmark­t für Grüne keine Priorität

In beiden Fällen wäre das Ziel indes dasselbe: Durch die zusätzlich­en Aufgaben und Kompetenze­n in der Aufsicht könnte ein fünfter Direktor in der Notenbank gerechtfer­tigt werden. Einer, der im Ernstfall das Dirimierun­gsrecht des Gouverneur­s außer Kraft setzt. Zwar könnte die nächste Regierung dieses Recht auch mit einer Gesetzesän­derung streichen, aber dann würde es bei Stimmengle­ichheit zu gar keiner Entscheidu­ng kommen. Das würde der Notenbank nicht nur kurzfristi­g schaden, denn alle Direktoren sind bis 2025 gesetzt und vor politische­n Abberufung­en gesetzlich geschützt.

So soll dieser kühn anmutende Plan von der ÖVP vorangetri­eben werden, heißt es aus mit der Sache vertrauten Kreisen. Im Generalrat soll diese Variante bisher kein Thema gewesen sein. Auch ÖVP-Kreise beteuern, es sei nichts Derartiges geplant.

Doch die einzige Instanz, mit der man einig werden müsste, sind die Grünen – und im Vergleich zu all den anderen Themen, die derzeit bei den Koalitions­verhandlun­gen am Tisch liegen, ist die FMA-Reform für die ÖkoPartei von begrenzter Priorität. Zwar dürfte niemand bei den Grünen ein Problem mit der Entmachtun­g des FPÖ-nahen Gouverneur­s haben, aber es will auch niemand in den Verdacht kommen, den Postenscha­cher der türkis-blauen Regierung fortzusetz­en.

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