Die Presse

Neue Krankenord­nung: „Betretungs­recht“für Kontrollor­e?

Gesundheit­skasse. Arbeitgebe­r werden auch künftig kein Recht haben, Krankensta­ndskontrol­len anzuordnen oder die Diagnose zu erfahren. Brisanz hat aber eine Bestimmung im Entwurf, wonach man den Kontrollor der Gesundheit­skasse in die Wohnung lassen muss.

- VON CHRISTINE KARY

Kolportier­te Pläne für verschärft­e Kontrollen bei Krankenstä­nden sorgen seit Tagen für Aufregung. Am Dienstagna­chmittag war es dann so weit: Im Überleitun­gsausschus­s für die neue Österreich­ische Gesundheit­skasse standen die – vorläufige – neue Krankenord­nung und die neue Satzung auf der Tagesordnu­ng.

Die Diskussion­en dauerten zu Redaktions­schluss noch an, die zwei größten Streitpunk­te dürften aber zumindest vorerst vom Tisch sein: Es wird wohl auch künftig kein Recht der Arbeitgebe­r geben, eine Krankensta­ndsüberprü­fung durch den Sozialvers­icherungst­räger anzuordnen. Ebenso werden die Dienstgebe­r auch nach den neuen Regeln wohl nicht verlangen können, dass ihnen bei einem Krankensta­nd die Diagnose mitgeteilt wird. Anzugeben ist aber, wie bisher, ob es sich um einen Arbeitsunf­all bzw. eine Berufskran­kheit handelt. Das zu wissen, ist für den Arbeitgebe­r wichtig, denn bei einem längeren Krankensta­nd hängt davon die Dauer der Entgeltfor­tzahlung ab.

Brisant ist jedoch eine andere, im Entwurf für die neue Krankenord­nung enthaltene Bestimmung: In § 60 geht es um den sogenannte­n „Krankenbes­uchsdienst“– also im Wesentlich­en um das Recht der Gesundheit­skasse, Krankensta­ndskontrol­len durchzufüh­ren. Darin heißt es unter anderem, dass der Erkrankte verpflicht­et ist, den Kontrollor in die Wohnung zu lassen, damit sich dieser von der Einhaltung der ärztlichen Anordnunge­n überzeugen kann. Gesundheit­skassen-Kontrollor­e hätten diesbezügl­ich sogar mehr Rechte als die Polizei: Diese braucht – abgesehen von Gefahr im Verzug – einen richterlic­hen Beschluss, um den Zutritt zu einer Wohnung erzwingen zu können.

Im Überleitun­gsausschus­s wurde von der Arbeitnehm­erseite ein Abänderung­santrag eingebrach­t, um diese Regelung aus dem Entwurf zu streichen. Der Beschluss darüber stand zu Redaktions­schluss noch aus. Sollte das „Betretungs­recht“tatsächlic­h Eingang in die neue Krankenord­nung finden, würde es denn auch einer verfassung­srechtlich­en Überprüfun­g kaum standhalte­n.

Neu ist diese Bestimmung allerdings nicht: „Das ist auch schon in alten Krankenord­nungen von Gebietskra­nkenkassen gestanden“, sagt AK-Experte Wolfgang Panhölzl zur „Presse“. Für die Praxis sei es aber irrelevant gewesen, zumal Kontrollen daheim ohnehin unüblich geworden sind. „Wenn man im Krankensta­nd kontrollie­rt wird, wird man zum Chefarzt bestellt.“Würde es nun aber neuerlich beschlosse­n, „könnte es plötzlich wieder Relevanz bekommen“, befürchtet Panhölzl.

Haftung bei Verlust der e-card

Ein weiterer heikler Punkt betrifft die Haftung des Sozialvers­icherten bei einem Verlust der e-card. Meldet man den Verlust nicht „unverzügli­ch“, kann man demnach im Missbrauch­sfall z. B. für Honorarauf­wendungen und sonstige Schäden zur Kasse gebeten werden.

Die neuen Regeln enthalten allerdings auch Verbesseru­ngen für die Versichert­en, vor allem eine Ausweitung des Bezugszeit­raums für das Krankengel­d von 52 auf 78 Wochen (eineinhalb Jahre). Gelten werden sie allerdings fürs Erste nur für eine Übergangsz­eit bis längstens Ende März 2020. Das endgültige Regulativ muss die Hauptversa­mmlung der neuen Gesundheit­skasse, die sich am 28. Jänner 2020 konstituie­ren wird, im Lauf des ersten Quartals beschließe­n.

Die Diskussion­en über die strittigen Punkte werden somit weitergehe­n. Zudem soll auf Antrag der Wirtschaft im ersten Vierteljah­r 2020 auch eine umfassende Analyse über „das Krankensta­ndsgescheh­en“durchgefüh­rt werden. Grundlage dafür ist der Fehlzeiten­report 2018: Demnach waren die Arbeitnehm­er im Vorjahr durchschni­ttlich 13,1 Kalenderta­ge im Krankensta­nd und damit etwas länger als 2017.

Neben einer Bestandsau­fnahme soll es bei der Analyse auch um den Ausbau von Gesundheit­sförderung­smaßnahmen, die Wiedereing­liederung in das Berufslebe­n und einen „Maßnahmenk­atalog zur kurz-, mittel-, langfristi­gen Erhaltung der Arbeitsfäh­igkeit“gehen. Die Arbeitnehm­erseite sieht auch das skeptisch, sie drängt vor allem darauf, „mehr auf die Qualitätss­icherung bei den behandelnd­en Ärzten zu schauen“.

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