Neue Krankenordnung: „Betretungsrecht“für Kontrollore?
Gesundheitskasse. Arbeitgeber werden auch künftig kein Recht haben, Krankenstandskontrollen anzuordnen oder die Diagnose zu erfahren. Brisanz hat aber eine Bestimmung im Entwurf, wonach man den Kontrollor der Gesundheitskasse in die Wohnung lassen muss.
Kolportierte Pläne für verschärfte Kontrollen bei Krankenständen sorgen seit Tagen für Aufregung. Am Dienstagnachmittag war es dann so weit: Im Überleitungsausschuss für die neue Österreichische Gesundheitskasse standen die – vorläufige – neue Krankenordnung und die neue Satzung auf der Tagesordnung.
Die Diskussionen dauerten zu Redaktionsschluss noch an, die zwei größten Streitpunkte dürften aber zumindest vorerst vom Tisch sein: Es wird wohl auch künftig kein Recht der Arbeitgeber geben, eine Krankenstandsüberprüfung durch den Sozialversicherungsträger anzuordnen. Ebenso werden die Dienstgeber auch nach den neuen Regeln wohl nicht verlangen können, dass ihnen bei einem Krankenstand die Diagnose mitgeteilt wird. Anzugeben ist aber, wie bisher, ob es sich um einen Arbeitsunfall bzw. eine Berufskrankheit handelt. Das zu wissen, ist für den Arbeitgeber wichtig, denn bei einem längeren Krankenstand hängt davon die Dauer der Entgeltfortzahlung ab.
Brisant ist jedoch eine andere, im Entwurf für die neue Krankenordnung enthaltene Bestimmung: In § 60 geht es um den sogenannten „Krankenbesuchsdienst“– also im Wesentlichen um das Recht der Gesundheitskasse, Krankenstandskontrollen durchzuführen. Darin heißt es unter anderem, dass der Erkrankte verpflichtet ist, den Kontrollor in die Wohnung zu lassen, damit sich dieser von der Einhaltung der ärztlichen Anordnungen überzeugen kann. Gesundheitskassen-Kontrollore hätten diesbezüglich sogar mehr Rechte als die Polizei: Diese braucht – abgesehen von Gefahr im Verzug – einen richterlichen Beschluss, um den Zutritt zu einer Wohnung erzwingen zu können.
Im Überleitungsausschuss wurde von der Arbeitnehmerseite ein Abänderungsantrag eingebracht, um diese Regelung aus dem Entwurf zu streichen. Der Beschluss darüber stand zu Redaktionsschluss noch aus. Sollte das „Betretungsrecht“tatsächlich Eingang in die neue Krankenordnung finden, würde es denn auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kaum standhalten.
Neu ist diese Bestimmung allerdings nicht: „Das ist auch schon in alten Krankenordnungen von Gebietskrankenkassen gestanden“, sagt AK-Experte Wolfgang Panhölzl zur „Presse“. Für die Praxis sei es aber irrelevant gewesen, zumal Kontrollen daheim ohnehin unüblich geworden sind. „Wenn man im Krankenstand kontrolliert wird, wird man zum Chefarzt bestellt.“Würde es nun aber neuerlich beschlossen, „könnte es plötzlich wieder Relevanz bekommen“, befürchtet Panhölzl.
Haftung bei Verlust der e-card
Ein weiterer heikler Punkt betrifft die Haftung des Sozialversicherten bei einem Verlust der e-card. Meldet man den Verlust nicht „unverzüglich“, kann man demnach im Missbrauchsfall z. B. für Honoraraufwendungen und sonstige Schäden zur Kasse gebeten werden.
Die neuen Regeln enthalten allerdings auch Verbesserungen für die Versicherten, vor allem eine Ausweitung des Bezugszeitraums für das Krankengeld von 52 auf 78 Wochen (eineinhalb Jahre). Gelten werden sie allerdings fürs Erste nur für eine Übergangszeit bis längstens Ende März 2020. Das endgültige Regulativ muss die Hauptversammlung der neuen Gesundheitskasse, die sich am 28. Jänner 2020 konstituieren wird, im Lauf des ersten Quartals beschließen.
Die Diskussionen über die strittigen Punkte werden somit weitergehen. Zudem soll auf Antrag der Wirtschaft im ersten Vierteljahr 2020 auch eine umfassende Analyse über „das Krankenstandsgeschehen“durchgeführt werden. Grundlage dafür ist der Fehlzeitenreport 2018: Demnach waren die Arbeitnehmer im Vorjahr durchschnittlich 13,1 Kalendertage im Krankenstand und damit etwas länger als 2017.
Neben einer Bestandsaufnahme soll es bei der Analyse auch um den Ausbau von Gesundheitsförderungsmaßnahmen, die Wiedereingliederung in das Berufsleben und einen „Maßnahmenkatalog zur kurz-, mittel-, langfristigen Erhaltung der Arbeitsfähigkeit“gehen. Die Arbeitnehmerseite sieht auch das skeptisch, sie drängt vor allem darauf, „mehr auf die Qualitätssicherung bei den behandelnden Ärzten zu schauen“.