Harter Brexit ist wieder Thema
Großbritannien/EU. Premier Boris Johnson will das Ende der BrexitÜbergangsfrist am 31. Dezember 2020 gesetzlich festschreiben.
Der Höhenflug währte nur wenige Tage. Am Dienstag war der Wechselkurs des Pfund wieder dort, wo er vor der Unterhauswahl am vergangenen Donnerstag gelegen ist: nämlich bei knapp 1,32 US-Dollar. Nach dem klaren Wahlsieg der regierenden Tories war die britische Währung gegenüber Dollar und Euro erstarkt, denn an den Märkten setzte sich die Überzeugung durch, Wahlsieger Boris Johnson werde nach dem Brexit das Ruder herumreißen und Großbritannien wieder der EU annähern.
Diese Hoffnung erwies sich als trügerisch: Montagabend sickerte aus der Downing Street 10 durch, dass der Entwurf des Brexit-Gesetzes, den Johnson dem Unterhaus am Freitag vorlegen will, den 31. Dezember 2020 als fixes Datum für das Ende der Übergangsfrist nach dem EU-Austritt Großbritanniens enthalten werde. Derartige Festschreibungen können zwar per Votum wieder rückgängig gemacht werden, doch in diesem speziellen Fall ist das Risiko eines ungewollten Frontalzusammenstoßes höher als bisher. Warum? Die bisherigen BrexitVerhandlungen wurden anhand des Artikels 50 des EU-Vertrags geführt, der Aufschübe relativ unbürokratisch ermöglicht – sofern beide Seiten einverstanden sind. Nach dem
Brexit am 31. Jänner 2020 ist Großbritannien ein Drittstaat, und die Frage des Aufschubs kann nicht mehr auf kurzem Amtsweg erledigt werden, denn die Modalitäten einer Fristverlängerung sind im Austrittsvertrag explizit festgehalten. Der lässt sich zwar modifizieren, doch der Aufwand ist deutlich höher – und sowohl die EU als auch die Unionsmitglieder müssen zustimmen.
Sollte also Johnson die Frist zur Verlängerung der Übergangsfrist am 30. Juni verstreichen lassen (wonach es momentan aussieht), sind die Weichen auf einen Bruch mit Europa Ende 2020 gestellt. Denn alle Handelsexperten sind sich darin einig, dass bis Ende des kommenden Jahres kein umfassendes Freihandelsabkommen verhandelt werden kann – dafür ist die Zahl der heiklen Themen schlicht und ergreifend zu groß. Dem britischen Premier blieben dann nur noch zwei Möglichkeiten: entweder ein „dünnes“Abkommen zu akzeptieren, das nur den Warenhandel zum Inhalt hat und somit vor allem für die EU profitabel ist, oder den harten Brexit durchzuziehen und ab 1. Jänner 2021 mit der EU auf Basis der rudimentären WTO-Bestimmungen Handel zu treiben – mit allen negativen Konsequenzen für die britische Wirtschaft. (ag./la)