Ural, Berlin – und Haugsdorf
Kino. „Glück gehabt“bringt zu Weihnachten Larissa Fuchs ins Kino. Die Deutschrussin über ihren Weg nach Wien, Kinder und das Theater als „Pseudospiegel“.
Glück gehabt“: Für Larissa Fuchs ist der Film das „Gegenteil von besinnlichen Weihnachten.“Auch nicht die klassische Weihnachtskomödie, obwohl sie und Filmehemann Philipp Hochmair (in einer Schlapfenrolle) mit einem Christbaum zu kämpfen haben. Ansonsten bricht das beschaulich-langweilige Leben des Paars in der Romanverfilmung des „Polykrates-Syndroms“von Antonio Fian aber vor allem auf abgründige Weise auseinander. Weil er alle Genres abtastet, sei der Kinofilm „sehr besonders“, findet Fuchs, dazu „kurvenreich und überraschend. Ein sehr Wienerischer Anti-Weihnachtsfilm“.
Und einer, der mit Fuchs ein neues Gesicht auf hiesige Leinwände bringt. Seit 2017 lebt die Deutschrussin erst in Österreich. Mit ihrem Partner, dem (derzeit an der Burg freiwillig karenzierten) Schauspieler Johannes Krisch wohnt sie idyllisch, ruhig, grün und mit vier Hühnern in Haugsdorf an der niederösterreichisch-tschechischen Grenze. Einfach, „weil dort ein Haus steht, das uns gefunden hat“, eine tolle Schule gebe es auch, wie sie beim Kaffee im Cafe´ Rathaus erzählt.
Bis dahin war Fuchs neun Jahre lang Teil des Berliner Ensembles. Nach Österreich verschlagen hat sie – auch – der Intendantenwechsel von Peymann zu Reese nach notorischem Muster: „Wir wurden alle gefeuert.“Für sie ein Schnitt, nach dem sie nicht einmal mehr in Berlin bleiben wollte, weil die Stadt „für mich Berliner Ensemble bedeutet hat“. Diese Art von radikalem Wechsel empfindet sie als schlimm. „Man hat ja etwas vorzuweisen. Plötzlich zählt das alles nicht mehr. Es zählt auch nicht, dass du zwei Kinder hast. Das finde ich schon traurig, dass es so rücksichtslos ist, dass man plötzlich auch so namenlos ist.“Ein Orchester würde ja auch nicht aufgelöst, nur weil der Dirigent wechselt. Ein Ensemble zu zerbrechen, in dem die Schauspieler „aufeinander so gut abgestimmt sind, das finde ich ärgerlich und blöd“.
Dass Fuchs Schauspielerin werden wolle, war ihr schon früh klar, auch wenn ihre Eltern dachten, es sei ein Berufswunsch wie bei einem Buben Pilot. Aufgewachsen ist sie in der russischen Industriegroßstadt Tscheljabinsk im Ural, als Tochter von Sportlehrern, „für russische Verhältnisse Mittelschicht, für hiesige arm, aber glücklich“. Nach Deutschland kam sie nach der Wende, 1995, mit zwölf. Zunächst in ein Auffanglager, danach von einem Aussiedlerwohnheim ins nächste, „bis wir in einem bleiben durften. Da waren wir dann 15 Familien, Gemeinschaftsbad, Zimmer drei mal zwei Meter, aber es war eine super Zeit. Für mich war das ein Abenteuer.“Ihre Mutter fand Arbeit als Krankenschwester, ihr Vater arbeitete noch mit 72 auf einer Baustelle. Heute schreibt sie Einkaufszettel auf Russisch, „um es nicht zu vergessen“.
Noch während des Studiums kam sie ans Berliner Ensemble, Peymann hatte in München vorsprechen lassen. Mit 28 bekam sie ihr erstes Kind, das sie schon einmal von Kolleginnen in der Garderobe betreuen ließ. Ihr Zugang: „Wenn Ihr Eure Hunde mit ins Theater nehmt, kann ich auch mein Kind mitbringen.“Nicht, dass da nicht auch Welten aufeinander geprallt wären, wenn sie in den Kindergarten musste und ein Regisseur meinte, das ginge nicht. „Wie, das geht nicht? Der Kindergarten sperrt zu! Und wir operieren nicht am offenen Herzen!“
Überhaupt, sinniert Fuchs, sei die Bühnenwelt auch eine scheinheilige. „Da müsste man eigentlich auch die Realität des Theaters einmal auf die Bühne bringen und nicht so tun, als könnten wir der Spiegel sein. Sind wir nicht – wir sind genauso wie die anderen. Und es ist ein Pseudospiegel, denn hinter den Kulissen brodelt es.“Dabei glaube sie, dass es auch anders gehen könnte. „Wenn ich mal Intendantin bin, dann wird es einen Kindergarten geben.“Einen, der auch abends offen hat. „Dann würden sich vielleicht auch mehr Schauspieler für Kinder entscheiden.“Zumal „Kinder etwas Wunderbares sind.“
In Österreich spielte Fuchs in diesem Sommer bei den Raimundspielen Gutenstein. Sie sei positiv überrascht „von der Liebe zur Kultur“, von der Begeisterung, mit der auch kleine Sommerfestivals besucht werden. 2020 wird sie in „Der Bauer als Millionär“dabei sein – und wieder in „Brüderlein fein“: Mit dem gefeierten „RaimundBioplay“, in dem Krisch und sie spielen wird 2020 erstmals ein Stück ins nächste Jahr übernommen.