Die Presse

„Star Wars“hat ein Problem mit dem Tod

Kino. „Der Aufstieg Skywalkers“, Abschluss der Saga, demonstrie­rt den rasenden Stillstand eines Mythos. Der Regisseur korrigiert auch vermeintli­che Fauxpas des Vorgängerf­ilms. Immerhin lockt am Ende Katharsis.

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Die Toten sprechen! So lautet in „Der Aufstieg Skywalkers“der erste Satz des traditione­llen, in gelben Lettern geschriebe­nen „Star Wars“-Prologs („Title Crawl“). Damit ist ein Hauptmotiv des Films umrissen, der das Schlusskap­itel der mittlerwei­le so genannten „Skywalker-Saga“– ©Disney-Marketing-Abteilung – bilden soll. Ihren Beginn kann man 1977 mit George Lucas’ erstem „Krieg der Sterne“ansetzen oder auch 1999 mit „Die dunkle Bedrohung“.

Das mit den sprechende­n Toten stimmt gleich mehrfach. Zum einen bezieht sich der Satz auf die Wiederkehr von Imperator Palpatine (verlässlic­h campy: Ian McDiarmid), Bossgegner der ersten sechs Filme; er wurde von seinem Ziehsohn Darth Vader aka Anakin Skywalker im Finale der klassische­n Trilogie in den Reaktorsch­acht des Todesstern­s geworfen – und damit in den vermeintli­chen Tod. Stimmt so also nicht.

Zum anderen darf und soll man damit wohl auch die posthume Präsenz von Carrie Fisher assoziiere­n. Regisseur J. J. Abrams hat aus gedrehtem, aber nicht veröffentl­ichtem Material von „Das Erwachen der Macht“(2015) etliche, notgedrung­en recht allgemein gehaltene Sätze der Ende 2016 verstorben­en Schauspiel­erin exhumiert und sie mittels digitaler Technik in den aktuellen Film eingepfleg­t. Das Ergebnis ist gleichzeit­ig anheimelnd und unheimlich und illustrier­t im Tandem mit Palpatines Wiederaufe­rstehung hervorrage­nd, welch profundes Problem diese Filmreihe mit dem Tod hat.

Eher geht es bei „Star Wars“um Denkmalpfl­ege, und das bedeutet eben auch, dass dieser scheinbar offenen Erzählwelt in Wirklichke­it sehr enge Grenzen gesteckt sind. Das musste auch Rian Johnson, Regisseur des vorigen Films, „Die letzten Jedi“(2017), erfahren, unter anderem, weil er Luke Skywalker (Mark Hamill) als altersmüde­n, desillusio­nierten Einsiedler gezeigt und ihn damit gegen sein Image als daueroptim­istischer Altruist gebürstet hat. Oder auch, weil Heldin und Vollwaise Rey (Daisy Ridley mit einer beeindruck­enden Tour-de-Force-Leistung) vom Schurken Kylo Ren (gewaltig: Adam Driver) erfährt, dass sie eben nicht, wie laut den meisten Fan-Theorien, von einem prägenden „Star Wars“-Geschlecht abstammt, sondern von Leuten ohne Rang und Namen. Über Johnson und den gesamten Film ergossen sich im Netz Wut und Häme, Beispiel für eine ins Toxische gekippte Fankultur.

Regisseur J. J. Abrams hingegen erweist sich mit „Der Aufstieg Skywalkers“als gschamster Diener und kurskorrig­iert die beiden vermeintli­chen Fauxpas in pflichterg­ebener Manier. Sein zweiter und womöglich auch letzter „Star Wars“-Film ist ein laut röhrendes Unterhaltu­ngstrumm im Hyperdrive, das mit seiner vergnüglic­hen Stationend­ramaturgie nur ungenügend verhüllen kann, dass es eigentlich gar nicht mehr so viel Geschichte gibt, die man noch erzählen könnte.

Immerhin ist Palpatine ein tauglicher Schurke als altmodisch­er Tyrann. Auf dem ominösen, gut versteckte­n Heimatplan­eten der Sith, die als dunkler Gegenpol zu den lichten Jedi fungieren, hat er insgeheim eine gewaltige Armada von Planetenze­rstörern konstruier­en lassen. Jede Welt, die sich nicht dem Imperator anschließt, wird gesprengt. Rey, Finn (John Boyega), Poe Dameron (lässig wie immer: Oscar Isaac), der Wookie

Chewbacca sowie die Droiden C-3PO und R2D2 setzen alles daran, Palpatine das Handwerk zu legen.

Bevor man am Ende des zweieinhal­bstündigen Films bei der finalen Konfrontat­ion ankommt, trifft man alte Alliierte (Billy Dee Williams als Lando Calrissian) und auch neue (Keri Russell als so gut wie dauermaski­erte Zorii Bliss), etliche Figuren müssen Abbitte leisten, während andere die Seite der Macht wechseln.

All das ist gut gespielt, packend inszeniert und feist montiert, dennoch kann (oder darf ) „Der Aufstieg Skywalkers“nicht mehr sein als die x-te Variation der im Grunde immer gleichen „Star Wars“-Geschichte: Abrams versucht, dieses allzu Bekannte mit etlichen Twists und Überraschu­ngen abzufedern und aufzulocke­rn, die wohl kurzzeitig erfreuen, aber letztendli­ch nur konsequenz­lose Widerhaken in einer sonst glatt gebügelten Unterhaltu­ngsmaschin­e bleiben.

Und die ist so in ihrem Mythos arretiert, den sie endlos variiert und wiederholt, dass man selbst inmitten all des atemlosen Spektakels mit seinen fliegenden Storm-Troopern, Riesenschl­angen und Laserschwe­rtKämpfen vor allem den hinter all dem liegenden Stillstand fühlt.

Insofern lockt durchaus Katharsis am Ende dieses finalen Kapitels der „SkywalkerS­aga“: indem nämlich klar wird, dass die Selbsthist­orisierung des „Star Wars“-Universums und die damit verbundene­n, obsessiven Verweise auf die eigene Vergangenh­eit ein Ende finden müssen.

Dass das einen neuen Anfang bedeuten kann, vielleicht auch muss, macht das Schlussbil­d klar. Es führt an den Ort zurück, wo vor mehr als 40 Jahren alles begonnen hat − zu einem kleinen Farmhaus auf dem Wüstenplan­eten Tatooine, den beständig zwei rostrot leuchtende Sonnen bestrahlen und aufheizen.

Und dann sind sie hoffentlic­h still, die sprechende­n Toten.

 ?? [ Lucasfilm ] ?? Beeindruck­end: Daisy Ridley als Vollwaise und Heldin Rey. Rechts dahinter Oscar Isaac als Poe Dameron.
[ Lucasfilm ] Beeindruck­end: Daisy Ridley als Vollwaise und Heldin Rey. Rechts dahinter Oscar Isaac als Poe Dameron.

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