Ein Kampf um Macht und Moral
Impeachment. Votum über Verfahren gegen Trump entscheidet über politische Zukunft der Abgeordneten.
Das Votum über Verfahren gegen Trump entscheidet über politische Zukunft der Abgeordneten.
Elissa Slotkin hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie wusste, dass nicht zuletzt ihre Wiederwahl im November davon abhängen würde. Die 43-jährige, gemäßigte Demokratin, die als CIAAnalytikerin im Irak stationiert war, im Pentagon gedient hatte und erst seit wenig mehr als elf Monaten im Repräsentantenhaus sitzt, hatte auf der Familienfarm in Michigan die Verfassung studiert und war die Anklageschrift für das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten durchgegangen, ehe sie schließlich ihren Beschluss fasste.
In einem Kommentar in der „Detroit Free Press“und in einer Diskussion an der Oakland University in Rochester tat sie ihre Überzeugung für ein Impeachment Donald Trumps kund. In Rochester – im „Trump Country“im Mittelwesten, wo der New Yorker Immobilientycoon 2016 die Wahl entschieden hatte – erntete Slotkin Buhrufe und Standing Ovations, was die polarisierte Stimmung der Nation ganz gut widerspiegelt.
Vor der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten im Repräsentantenhaus, die nach einer Marathondebatte für die Nacht auf Donnerstag angesetzt ist, waren drei Dutzend moderate Demokraten und Mitglieder der „Blue-Dog“Fraktion mit einer Kampagne der Republikaner konfrontiert, mit einem Bombardement via E-Mail und Telefon und mit Pöblern bei öffentlichen Veranstaltungen. Die Kongresswahlen im Vorjahr hatten Dutzende Demokraten in konservativen Wahlkreisen ins Parlament gespült. In Rochester deklarierte sich ein Häuflein zorniger Zwischenrufer und Störenfriede als Trump-Anhänger: „Enthebt Slotkin des Amts“, „Slotkin ist eine Spionin“, „Deep State“, „Make America Great Again“.
Elissa Slotkin bewahrte angesichts der unablässigen Lärmkulisse die Ruhe und bat darum, ihre Argumente vortragen zu dürfen. Lange hatte sie sich gegen ein Impeachment Trumps gesträubt – anders als Rashida Tlaib, ihre Parteifreundin und Landsfrau aus Michigan, wie sie eine Newcomerin. Gleich nach der Angelobung im Jänner hatte Tlaib, sehr zum Ärger ihrer Fraktionschefin Nancy Pelosi, die Parole ausgegeben: „Wir werden den Scheißkerl des Amtes entheben.“
Doch nach der Enthüllung des Telefonats Trumps mit Wolodymyr Selenskij, dem ukrainischen Präsidenten, waren auch gemäßigte Demokraten wie Slotkin, die für eine reguläre Abwahl Trumps eingetreten waren, sich ihrer Sache sicher. Pelosi spricht stets von einer „Gewissensentscheidung“. Bei einer Probeabstimmung hatten zwei Demokraten gegen eine Amtsenthebung votiert, während die Republikaner diese geschlossen ablehnten. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus – 235 zu 198 zugunsten der Demokraten – lassen sich zwei Abweichler leicht verkraften.
Einer der beiden, Jeff Van Drew aus New Jersey, kündigte nach einem Treffen mit Trump im Weißen Haus seinen Wechsel zu den Republikanern an. Der Präsident errang einen kleinen symbolischen Sieg – und Van Drew zog die geballte Kritik seiner Ex-Parteifreunde auf sich. In seinem Wahlkreis hätte ihm im November bei den Demokraten die Gegenkandidatur einer Politologie-Professorin gedroht. Beim Impeachment-Votum geht es um Moral und Macht, aber auch um das eigene Mandat. Auch Elissa Slotkin muss sich bei der Wahl auf Gegenwind einstellen.