Die Presse

Das Ende des Homo erectus

Anthropolo­gie. Seine Stellung als Ahne aller Homo-Arten wankt. Aber in Java lebte der Homo erectus noch vor 110.000 Jahren, sagen US-Forscher.

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2019 war auch ein Jahr, in dem das Theorienge­bäude der Geschichte der Gattung Homo weiter erschütter­t wurde. „Unser Bild der Hominiden-Evolution in Asien im Pleistozän ist unordentli­cher, komplizier­ter und um einiges interessan­ter geworden“, schrieb im April ein Anthropolo­ge in Nature. Da hatten gerade einige seiner Kollegen die (einstige) Existenz einer neuen Art von Homo postuliert: Homo luzonensis nannten sie diese, von Luzon, der größten Insel der Philippine­n. Dort hatten sie ein paar Knochenstü­cke und Zähne gefunden. Das reichte ihnen für die Definition einer neuen, mutmaßlich – wie es für Inseln typisch ist – kleinwüchs­igen Menschenar­t, die bis vor 50.000 Jahren dort gelebt haben soll.

Zur gleichen Zeit also, in der es auch noch Neandertal­er in Europa gab, DenisovaMe­nschen in Sibirien, Homo floresiens­is (auch kleinwüchs­ig) auf der indonesisc­hen Insel Flores und natürlich Homo sapiens in Afrika, Süd- und Ostasien.

Sie alle stammen vom Homo erectus ab, dem Menschen, der als erster aufrecht ging und Feuer benutzte, der Art, die als erste aus Afrika gekommen war. Das hätten die meisten Anthropolo­gen zumindest vor 15 Jahren noch so gesehen. Doch Homo floresiens­is und nun auch Homo luzonensis stören dieses Bild. Etliche Forscher vermuten, dass diese Arten von anderen Vormensche­n abstammen, etwa von der Gattung Australopi­thecus. Und da ist dann noch die deutsche Anthropolo­gin Madeleine Böhme, die ernsthaft behauptet, der Mensch habe sich gar nicht in Afrika, sondern in Europa entwickelt.

Nun gut. Aber was ist mit dem Homo erectus? Wie lang ist er noch auf Erden gewandelt? Schon vor 400.000 Jahren sei er praktisch verschwund­en, meinen die meisten. Nur auf einer indonesisc­hen Insel habe er sich gehalten: auf Java. Aber wie lang? Forscher um Russell Ciochon (Iowa City) geben nun in Nature (18. 12.) eine Antwort unter dem Titel: „Last appearance of Homo erectus at Ngandong, Java, 117.000–108.000 years ago“. Sie haben das Alter der Homo-erectusKno­chen unter anderem durch Datierung von Stalagmite­n und Tierfossil­ien ermittelt. „Wir können nicht sagen, dass wir die Auslöschun­g datiert haben“, sagt Ciochon, „aber wir haben das letzte Vorkommen datiert. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Homo erectus noch später irgendwo anders gelebt hätte.“Dass er auch in Ngandong, Java, nicht überleben konnte, daran sei ein Klimawande­l schuld gewesen. Er habe das offene Grasland in einen tropischen Regenwald verwandelt. Und an den konnte sich Homo erectus, der offenbar nicht so flexibel wie Homo sapiens war, nicht anpassen.

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