„Aus und vorbei“– Brexit ist fixiert
Mit klarer Mehrheit brachte das Unterhaus den EU-Austritt auf den Weg. Johnson gibt sich versöhnlich und beschränkt zugleich die Mitsprache der Abgeordneten.
Die Umsetzung des Brexit ist eingeleitet. Mit einer Mehrheit von 124 Stimmen nahmen die 650 Abgeordneten des neu gewählten britischen Unterhauses gestern, Freitag, in einer ersten Abstimmung das Gesetz über den EU-Austritt ihres Landes an. Premierminister Boris Johnson gab sich versöhnlich: Der Brexit „darf nicht als Sieg einer Seite über die andere“gesehen werden, mahnte er. „Die Zeit ist gekommen, vorwärtszugehen und die alten Lager von EUGegnern und EU-Anhängern hinter uns zu lassen.“Mit dem 31. Jänner werde „der Brexit erledigt sein. Aus und vorbei.“
Die Zustimmung des Unterhauses stand von Anfang an außer Zweifel. Johnson hat eine Mehrheit von 80 Sitzen. Erwartungen, dass der Premierminister aus der Position der Stärke heraus seine Haltung mildern würde, erfüllten sich aber nicht. Das nun verabschiedete Gesetz weicht von jener Fassung, die Johnson im Oktober vorgelegt hat, in einigen Aspekten ab. Damals musste der Premierminister im parlamentarischen Patt noch Kompromisse suchen.
Verlängerung ausgeschlossen
Wie bereits angekündigt, enthält das Gesetz eine neue Bestimmung, die eine Verlängerung der nach dem Brexit in Kraft tretenden Übergangsfrist bis 31. Dezember 2020 ausschließt. Johnson: „Nach Jahren der Verzögerung und Verbitterung liefert dieses Gesetz nun Sicherheit.“Der Weg für ein „ehrgeiziges Freihandelsabkommen“mit der EU werde damit frei.
Dafür bleiben nach derzeitigem Stand allerdings bestenfalls elf Monate, und EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte bereits vor einem „extrem herausfordernden Zeitplan“. Der Labour-Abgeordnete Hilary Benn sagte: „In dem Bestreben, den Brexit um jeden Preis fertig zu
machen, wird der Brexit unsere Wirtschaft fertigmachen.“Der Ökonom Raoul Ruparel, ein Berater von Johnsons Vorgängerin Theresa May, meint, dass bestenfalls ein „Minimalabkommen“ausgehandelt werden könne.
Viele Beobachter fürchten, dass nun ein Hard Brexit erneut im Spiel ist. Der scheidende Labour-Chef, Jeremy Corbyn, räumte ein, dass der EU-Austritt nach dem Wahltriumph von Johnsons Konservativen unausweichlich sei, meinte aber, es gebe „bessere und fairere Wege für unser Land“. Johnson setze mit dem Brexit-Deal „Hunderttausende Arbeitsplätze aufs Spiel“.
In Wahrheit ist die Festlegung aber vor allem Theaterdonner: Johnson demonstriert seinen Wählern, dass er den Brexit durchzieht. Kommt er in den kommenden Monaten zu dem Schluss, dass er doch eine Verlängerung der Übergangsfrist möchte, kann er mit seiner Mehrheit jederzeit das Gesetz ändern.
In den Verhandlungen mit der Europäischen Union will sich die Regierung nicht ständig vom Parlament auf die Finger schauen lassen. Minister müssen dem Unterhaus nicht mehr – wie im Oktober noch vorgesehen – regelmäßig über den Stand der Gespräche Bericht erstatten und sich ihre Verhandlungsziele absegnen lassen. Stattdessen ist die Regierung nun nur mehr angehalten, das Parlament einmal im Jahr über offene Fragen und Konflikte mit der EU zu informieren.
Mehr Einfluss für britische Gerichte
In einem solchen Fall wäre auch der Europäische Gerichtshof am Zug. Das hat London in Grundzügen zwar akzeptiert, das Gesetz sieht aber nun eine „Überprüfungsmöglichkeit“durch ausgewählte britische Gerichte vor. Gänzlich aus dem Gesetz vom Oktober gestrichen wurden Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer und die Umwelt.
Von der Kritik der Opposition ließ sich Johnson nicht beeindrucken. Während Labour, Liberaldemokraten und die schottischen Nationalisten mehrheitlich, aber nicht geschlossen gegen sein Gesetz stimmten, versprach der Premierminister einen Aufbruch des Landes zu neuen Ufern: „Das neue Jahr wird großartig für uns werden – das Jahr, in dem wir den Brexit erledigen.“
Dafür sind im Parlament aber noch ein paar Schritte zu machen: Die Abgeordneten des Unterhauses werden von 7. bis 9. Jänner Zeit für weitere Debatten über die Details des Gesetzes haben, ehe es dem Oberhaus zur Behandlung zugewiesen wird.