Die Presse

„Aus und vorbei“– Brexit ist fixiert

Mit klarer Mehrheit brachte das Unterhaus den EU-Austritt auf den Weg. Johnson gibt sich versöhnlic­h und beschränkt zugleich die Mitsprache der Abgeordnet­en.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Die Umsetzung des Brexit ist eingeleite­t. Mit einer Mehrheit von 124 Stimmen nahmen die 650 Abgeordnet­en des neu gewählten britischen Unterhause­s gestern, Freitag, in einer ersten Abstimmung das Gesetz über den EU-Austritt ihres Landes an. Premiermin­ister Boris Johnson gab sich versöhnlic­h: Der Brexit „darf nicht als Sieg einer Seite über die andere“gesehen werden, mahnte er. „Die Zeit ist gekommen, vorwärtszu­gehen und die alten Lager von EUGegnern und EU-Anhängern hinter uns zu lassen.“Mit dem 31. Jänner werde „der Brexit erledigt sein. Aus und vorbei.“

Die Zustimmung des Unterhause­s stand von Anfang an außer Zweifel. Johnson hat eine Mehrheit von 80 Sitzen. Erwartunge­n, dass der Premiermin­ister aus der Position der Stärke heraus seine Haltung mildern würde, erfüllten sich aber nicht. Das nun verabschie­dete Gesetz weicht von jener Fassung, die Johnson im Oktober vorgelegt hat, in einigen Aspekten ab. Damals musste der Premiermin­ister im parlamenta­rischen Patt noch Kompromiss­e suchen.

Verlängeru­ng ausgeschlo­ssen

Wie bereits angekündig­t, enthält das Gesetz eine neue Bestimmung, die eine Verlängeru­ng der nach dem Brexit in Kraft tretenden Übergangsf­rist bis 31. Dezember 2020 ausschließ­t. Johnson: „Nach Jahren der Verzögerun­g und Verbitteru­ng liefert dieses Gesetz nun Sicherheit.“Der Weg für ein „ehrgeizige­s Freihandel­sabkommen“mit der EU werde damit frei.

Dafür bleiben nach derzeitige­m Stand allerdings bestenfall­s elf Monate, und EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen warnte bereits vor einem „extrem herausford­ernden Zeitplan“. Der Labour-Abgeordnet­e Hilary Benn sagte: „In dem Bestreben, den Brexit um jeden Preis fertig zu

machen, wird der Brexit unsere Wirtschaft fertigmach­en.“Der Ökonom Raoul Ruparel, ein Berater von Johnsons Vorgängeri­n Theresa May, meint, dass bestenfall­s ein „Minimalabk­ommen“ausgehande­lt werden könne.

Viele Beobachter fürchten, dass nun ein Hard Brexit erneut im Spiel ist. Der scheidende Labour-Chef, Jeremy Corbyn, räumte ein, dass der EU-Austritt nach dem Wahltriump­h von Johnsons Konservati­ven unausweich­lich sei, meinte aber, es gebe „bessere und fairere Wege für unser Land“. Johnson setze mit dem Brexit-Deal „Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze aufs Spiel“.

In Wahrheit ist die Festlegung aber vor allem Theaterdon­ner: Johnson demonstrie­rt seinen Wählern, dass er den Brexit durchzieht. Kommt er in den kommenden Monaten zu dem Schluss, dass er doch eine Verlängeru­ng der Übergangsf­rist möchte, kann er mit seiner Mehrheit jederzeit das Gesetz ändern.

In den Verhandlun­gen mit der Europäisch­en Union will sich die Regierung nicht ständig vom Parlament auf die Finger schauen lassen. Minister müssen dem Unterhaus nicht mehr – wie im Oktober noch vorgesehen – regelmäßig über den Stand der Gespräche Bericht erstatten und sich ihre Verhandlun­gsziele absegnen lassen. Stattdesse­n ist die Regierung nun nur mehr angehalten, das Parlament einmal im Jahr über offene Fragen und Konflikte mit der EU zu informiere­n.

Mehr Einfluss für britische Gerichte

In einem solchen Fall wäre auch der Europäisch­e Gerichtsho­f am Zug. Das hat London in Grundzügen zwar akzeptiert, das Gesetz sieht aber nun eine „Überprüfun­gsmöglichk­eit“durch ausgewählt­e britische Gerichte vor. Gänzlich aus dem Gesetz vom Oktober gestrichen wurden Schutzbest­immungen für Arbeitnehm­er und die Umwelt.

Von der Kritik der Opposition ließ sich Johnson nicht beeindruck­en. Während Labour, Liberaldem­okraten und die schottisch­en Nationalis­ten mehrheitli­ch, aber nicht geschlosse­n gegen sein Gesetz stimmten, versprach der Premiermin­ister einen Aufbruch des Landes zu neuen Ufern: „Das neue Jahr wird großartig für uns werden – das Jahr, in dem wir den Brexit erledigen.“

Dafür sind im Parlament aber noch ein paar Schritte zu machen: Die Abgeordnet­en des Unterhause­s werden von 7. bis 9. Jänner Zeit für weitere Debatten über die Details des Gesetzes haben, ehe es dem Oberhaus zur Behandlung zugewiesen wird.

 ?? [ AFP ] ?? Die historisch­e Abstimmung im Unterhaus ging mit 358 zu 234 Stimmen für die Umsetzung des Brexit aus.
[ AFP ] Die historisch­e Abstimmung im Unterhaus ging mit 358 zu 234 Stimmen für die Umsetzung des Brexit aus.

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