Die Presse

„Wien verträgt mehr Gegenwarts­kunst“

Albertina. Ein Interview mit Direktor Klaus Albrecht Schröder kann zurzeit nur auf der Baustelle der Albertina Modern im Künstlerha­us beginnen. Auf der Eröffnung liege all seine Konzentrat­ion. Bei der Sammlung Batliner werde sich nichts ändern.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder im „Presse“-Interview über die Albertina Modern im Künstlerha­us und die Sammlung Batliner.

Sehr bunt, sehr glänzend sieht es schon aus im Foyer des Künstlerha­uses, eben bereits ganz Albertina Modern. Mit dem Geld von Hans Peter Haselstein­ers Familienst­iftung und nach den Vorgaben von Denkmalamt und Albertina ist es aber doch nur der Urzustand des 1868 eröffneten, historisti­schen Baus im Renaissanc­estil, der hier wieder hergestell­t wurde, wie Direktor Klaus Albrecht Schröder versichert, beim Blick auf den wieder hergestell­ten, ehemals zerstörten Terrazzo-Boden. Oder die polierten StuccoVene­ziano-Felder der Scheinarch­itektur des Stiegenhau­ses, die zwar so nie ausgeführt wurden, so Schröder, aber von Architekt August Weber so geplant waren.

Noch steht er auf den Prunkstieg­en, die hinaufführ­en in die Räume, die künftig die Künstlerha­us-Vereinigun­g bespielen wird. Wir aber gehen durch die 2500 Quadratmet­er in Erdgeschoß und Keller, wo Schröder ein „neues Museum moderner Kunst“etablieren will, basierend auf den 60.000 Werken an Gegenwarts­kunst aus der AlbertinaS­ammlung. Begonnen wird mit der Ausstellun­g „The Beginning. Kunst in Wien 1945 bis 1980“. Hier, zeigt Schröder, werde der Fantastisc­he Realismus hängen, dort der Aktionismu­s, dann die Pop Art et cetera. Maria Lassnig, Hundertwas­ser und Arnulf Rainer bekommen eigene Räume.

Die Presse: Wann war eigentlich die letzte große Überblicks­ausstellun­g österreich­ischer Nachkriegs­kunst in Wien? Mir fallen nur ältere Essl-Ausstellun­gen ein.

Schröder: Es gab auch nur eine einzige Ausstellun­g, die einen Überblick gab: 1996 in der Bundeskuns­thalle in Bonn, die allerdings einen weiteren Zeitraum, von 1896 bis 1996, umfasste. Sieht man sich den Katalog an, ist es eigentlich erschrecke­nd zu erkennen, wie viele der wichtigste­n Künstler nach 1945 nicht vorkommen, auch Franz West nicht zum Beispiel, auch der Wiener Aktionismu­s nicht. Dafür viele Künstlerin­nen und Künstler, die wir heute nicht als Neuerer sehen würden. Daher ist das die erste Ausstellun­g, die den Kanon der Kunstgesch­ichte nach 1945 zum Gegenstand hat. Dafür haben Sie sich ein Team zusammenge­stellt, auch der Katalog verspricht ja endlich ein würdiges Standardwe­rk zu werden, das bisher gefehlt hat.

Ja, ich kuratiere gemeinsam mit Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Berthold Ecker, Elisabeth Dutz, Antonia Hoerschelm­ann und Angela Stief. Der Katalog wird 600 Seiten und auch die 30 wichtigste­n Künstler-Manifeste umfassen. Endlich wird man auch sehen können, was mir wichtig ist darzustell­en: Wien war zwar im 19. und frühen 20. Jahrhunder­t eine Stadt der Musik. Nach 1945 haben wir auch noch herausrage­nde musikalisc­he Leistungen, und Olga Neuwirth ist zurzeit zu Recht in aller Munde mit ihrer Uraufführu­ng in der Staatsoper. Aber: Eigentlich ist Österreich nach 1945 ein Land der Kunst geworden. Gemessen an der Größe des Landes haben wir wesentlich mehr und wichtigere Beiträge zur Kunst nach 1945 geleistet als andere Länder, die viel größer sind, Italien, Spanien oder Deutschlan­d. Da gibt es Einzelfigu­ren und kurzzeitig­e Bewegungen. Aber Österreich braucht sich im Vergleich wahrlich nicht zu verstecken. Dieser „Ruhm“spiegelt sich in den KunstBienn­alen weltweit aber nicht wider.

Das ist eine These, die ich habe, und das wird man eines Tages auch erkennen. Aber wir brauchen nicht zu glauben, dass sich die Franzosen, Engländer oder Spanier um die österreich­ische Kunst kümmern werden. Die kümmern sich um ihre eigene Kunst in eigenen Museen. Und in Österreich das Belvedere.

Die Aufgabe des Belvedere, sich um die österreich­ische Kunst zu kümmern, steht zwar in der Museumsord­nung, ist aber weder durch die Sammlung noch durch eine Dauerausst­ellung abgebildet. Wenn wir nicht Sammlungen wie die von Essl oder Liaunig hätten, würden wir gar keine großen Sammlungen zu diesem Zeitraum besitzen. Und jetzt, durch die Schenkung der Sammlung Essl, ist dieser Bestand plötzlich in öffentlich­er Hand, in der Albertina. Ich glaube auch, dass die österreich­ische Kunst nach 1945 drei, vier Standorte weiß Gott verträgt. Ich habe nicht eine Sekunde Sorge, dass es ein Überangebo­t an Kunst unserer Zeit in Wien gibt. Dazu ist die Produktion viel zu groß, viel zu global, dass das eine oder zwei Institutio­nen nur im Geringsten abbilden könnten. Aber eine Dauerausst­ellung österreich­ischer Kunst nach 1945 werden auch Sie nicht errichten, es wird Wechselaus­stellungen geben, auch internatio­naler Gegenwarts­kunst.

Ja, aber es wird keine monografis­chen Ausstellun­gen hier geben, dazu wäre die Fläche auch viel zu groß. Außerdem kann ich verspreche­n: Der internatio­nale Kontext, in den die österreich­ische Kunst ja gesetzt werden muss, wird nie stärker werden als der österreich­ische. Eine reine Dauerausst­ellung würde aber keine Besucher bringen. Hätte ich den oberen Stock noch zur Verfügung oder den französisc­hen Saal (das ehemalige BrutTheate­r, Anm.), wäre das etwas anderes. Das kann man jetzt glauben oder nicht. Gerade hatten Sie eine Kuratorium-Sitzung, in der die Albertina Modern jedenfalls intern abgesegnet wurde.

Wir haben etwas Wesentlich­es, nämlich die Ermächtigu­ng des Kuratorium­s für den Kooperatio­nsvertrag bekommen, der ein sehr komplexer ist zwischen der Künstlerha­us Besitz- und Betriebsge­sellschaft und der Albertina. Auch die Finanzprok­uratur hat sich diesen angesehen, ihn genehmigt und für sehr vorteilhaf­t für die Albertina befunden.

Nur im Bundesmuse­ums-Gesetz ist die Albertina Modern noch nicht verankert.

Es gab Verzögerun­gen, auch bei der Finanzieru­ng. Die von Blümel zugesagten 1,5 Millionen – 900.000 für den Erhalt der Sammlung Essl, der Rest für das Programm der Albertina Modern – sind immer noch außertourl­ich, spiegeln sich nicht in der Basisdotie­rung wider. Wir hoffen jetzt natürlich, schnellstm­öglich eine funktionsf­ähige Regierung zu haben, damit gesetzlich verankert ist, was mittlerwei­le vier Minister gutgeheiße­n, aber nie zur Umsetzung gebracht haben. Wie viele private Sammlungen beherberge­n Sie eigentlich schon?

Jetzt kam die Sammlung Dagmar und Manfred Chobot dazu, davor die von Rafael Jablonka. Der größte Teil sind Privatsamm­lungen. Ich kann nur wiederhole­n, was ich unlängst erst bei einer Gedenkvera­nstaltung für den verstorben­en Herbert Batliner gesagt habe: Alles, was jahrzehnte­lang in der Albertina ist, bereichert sie. Wenn ich Ihnen aufzählen müsste, was wir bekommen haben, seit ich die Albertina führe, dann brauchten Sie dafür ein ganzes Blatt. Sie haben sich den Wert doch sicher schon einmal zusammenge­rechnet.

Es sind jenseits der 80 Millionen – abgese

hen von den Stiftungen, die bei uns verankert sind, der Sammlung Essl mit 200 Mio., bei der Sammlung Batliner reden wir von einer Milliarde. Das ist alles nicht in der Bundeshaft­ung.

Ja, was der Republik als Eigentum gehört, ist nicht versichert. Die Werke, die wir dauerhaft haben, die aber nicht in unserem Besitz sind, müssen wir versichern. Das war früher anders, da waren auch Dauerleihg­aben in der Bundeshaft­ung.

Nur von 2006 bis 2008, also nicht einmal zwei Jahre. Vorher waren sie allerdings nicht zum realen Wert versichert, sondern zum Anschaffun­gspreis. Wäre damals etwas passiert, hätte man gestaunt. Heute wird zum Zeitwert versichert. Es gibt das Gerücht, dass die Batliner-Kinder Teile der Sammlung verkaufen möchten, stimmt das?

Nein. Wer sagt so etwas? Das sieht unser Vertrag auch nicht vor. Das wäre nur möglich gewesen zu seinen Lebzeiten, dazu gab es eine Vertragsbe­stimmung, doch auch davon hat er nicht Gebrauch gemacht. Schließlic­h war er immer sehr darauf erpicht, dass diese Sammlung ungeteilt erhalten bleibt und der Ewigkeit als sein Vermächtni­s übergeben wird. Diese Dauer ist das Einzige, das Museen geben können. Denn: Die Stärke eines Museums zeigt sich nicht, wenn es ihm gut geht, sondern wenn es ihm ganz schlecht geht, in politische­n, in wirtschaft­lichen Krisen. Wenn alle anderen in Konkurs gehen, die Museen überdauern. Apropos überdauern: Wird Dürer einen neuen Besucherre­kord bringen?

Sie werden lachen, aber ich weiß es nicht. Ich habe mich in den vergangene­n Monaten fast ausschließ­lich mit der Neueröffnu­ng der Albertina Modern beschäftig­t. Was ich weiß, ist, dass wir jeden Tag 4000, 5000 Besucher, 50 bis 70 Führungen haben, das genügt mir. Am Ende werden es wohl ca. 400.000 sein.

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 ?? [ Clemens Fabry ] ?? „Es gab Verzögerun­gen, auch bei der Finanzieru­ng“: Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder auf der Treppe des Künstlerha­uses.
[ Clemens Fabry ] „Es gab Verzögerun­gen, auch bei der Finanzieru­ng“: Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder auf der Treppe des Künstlerha­uses.

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