SPÖ-Leaks: Wem was droht
Mitschnitt. Die Partei prüft nach der Veröffentlichung von Tonbandaufnahmen Schritte gegen den ORF. Rechtlich hat der Sender wenig zu fürchten, der „Spion“aus dem roten Umfeld umso mehr.
Die Partei prüft nach der Veröffentlichung von Tonbandaufnahmen Schritte gegen den ORF. Und sucht den Maulwurf.
Wien. „Auch für den ORF gelten die Gesetze“, erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Wochenende. Er will prüfen, ob der Sender gegen das Strafrecht verstoßen hat, weil Parteichefin Pamela Rendi-Wagner im „ZiB 2“Interview am Freitag mit einem Tonbandmitschnitt aus einer SPÖBetriebsversammlung konfrontiert worden ist. Aber wie ist das Geschehene rechtlich einzuordnen?
1 Wie relevant ist der Mitschnitt für die Öffentlichkeit?
„ZiB 2“-Moderator Martin Thür rechtfertigte die Veröffentlichung damit, dass die Aufnahmen politisch eine Rolle spielen würden. In der Aufnahme ist Deutsch bei der im November abgehaltenen Betriebsversammlung zu hören. Der Bundesgeschäftsführer erklärt dabei, dass die SPÖ bei einer baldigen Neuwahl Probleme hätte: „Dann wird das, das sage ich auch ganz offen, der erste Wahlkampf sein ohne Plakate, ohne Inserate.“
Nun war die prekäre finanzielle Lage der SPÖ aber schon bekannt. Andererseits klingen die Worte von Deutsch nun noch drastischer. Klar machte Deutsch aber auch, dass die Partei Spenden werde sammeln müssen. Das ist politisch bemerkenswert, da die SPÖ im Sommer ein Gesetz initiiert hat, laut dem die Möglichkeit von Spendeneinnahmen limitiert wird. Jeder Spender darf nur noch maximal 7500 Euro einzahlen, die Partei insgesamt höchstens 750.000 Euro pro Jahr erhalten. Andererseits sagt Deutsch ja nicht, dass die SPÖ diese Grenze überschreiten wolle.
2 Kann der ORF überhaupt für Beiträge bestraft werden?
Grundsätzlich können auch Unternehmen strafrechtlich belangt werden. Dafür ist es aber nötig, dass diese ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Wenn also einem Redakteur, der sonst gewissenhaft arbeitet, einmal ein Fehler unterläuft, kann der ORF strafrechtlich nicht dafür belangt werden. Denn das wäre für das Unternehmen nicht vorhersehbar gewesen, erklärt Strafrechtsprofessor Hubert Hinterhofer von der Uni Salzburg.
3 Kann der für den Beitrag zuständige Redakteur bestraft werden?
Grundsätzlich ist es möglich, Journalisten für ihre Beiträge zu belangen. Aber wurde hier ein Delikt verwirklicht? Das Strafgesetzbuch sieht Sanktionen vor, wenn jemand heimlich eine Aufnahme macht, um etwas zu erfahren, was nicht für ihn bestimmt gewesen ist (§ 120 StGB). Strafbar ist aber auch, wer eine Aufnahme mit einer nicht für die Öffentlichkeit gedachten Information publiziert.
Strafbar sei aber nur derjenige, der die Aufnahme als Erster Leuten zukommen lasse, die den Inhalt nicht kennen sollten, sagt Hinterhofer. Ist dieser Geheimnisbruch schon begangen worden (SPÖ-Mitarbeiter gibt einem Journalisten das Tondokument), sei der Redakteur als späterer, weiterer Verbreiter der Nachricht nicht mehr strafbar. Die Frage der politischen Relevanz des Tondokuments spiele hingegen strafrechtlich keine Rolle, sagt Hinterhofer zur „Presse“.
4 Kann ein untreuer SPÖ-Mitarbeiter sanktioniert werden?
Wer die Aufnahme getätigt hat, ist unbekannt. Hundert SPÖ-Mitarbeiter waren bei der Versammlung dabei. Sie wären für die Aufnahme an sich noch nicht strafbar. Denn sie hält ja nur fest, was ohnedies für ihre Ohren bestimmt gewesen ist. Gibt aber ein Mitarbeiter die Tonaufnahme an Betriebsfremde (etwa Journalisten) weiter, wäre der SPÖAngestellte dran. Die Strafdrohung beträgt dann bis zu einem Jahr Haft oder eine Geldbuße von bis zu 360 Tagessätzen. Zu einer Anklage käme es nur, wenn das der Geschädigte (hier Deutsch) will.
An der Strafbarkeit ändert es auch nichts, dass rund hundert Personen bei der Versammlung anwesend gewesen sind. Zwar darf man öffentliche Reden mitschneiden und die Aufnahmen weitergeben. „Aber der Öffentlichkeitsbegriff ist an keiner fixen Zahl orientiert“, betont Hinterhofer. Entscheidend sei, ob der Einlass zur Versammlung auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt war. Das sei bei Betriebsversammlungen so, also wäre sie nicht öffentlich.
Arbeitsrechtlich droht untreuen Mitarbeitern Entlassung. Und zwar bereits dann, wenn jemand heimlich ein Tonband mitlaufen lasse, erklärt Arbeitsrechtsprofessor Franz Marhold von der WU. Selbst wenn einer der von der SPÖ gekündigten Mitarbeiter hinter der Aktion steckt, könnte das für ihn finanzielle Folgen haben. Eine Entlassung bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis sofort (und nicht erst nach der Kündigungsfrist) endet.