Die Presse

SPÖ-Leaks: Wem was droht

Mitschnitt. Die Partei prüft nach der Veröffentl­ichung von Tonbandauf­nahmen Schritte gegen den ORF. Rechtlich hat der Sender wenig zu fürchten, der „Spion“aus dem roten Umfeld umso mehr.

- VON PHILIPP AICHINGER

Die Partei prüft nach der Veröffentl­ichung von Tonbandauf­nahmen Schritte gegen den ORF. Und sucht den Maulwurf.

Wien. „Auch für den ORF gelten die Gesetze“, erklärte SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch am Wochenende. Er will prüfen, ob der Sender gegen das Strafrecht verstoßen hat, weil Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner im „ZiB 2“Interview am Freitag mit einem Tonbandmit­schnitt aus einer SPÖBetrieb­sversammlu­ng konfrontie­rt worden ist. Aber wie ist das Geschehene rechtlich einzuordne­n?

1 Wie relevant ist der Mitschnitt für die Öffentlich­keit?

„ZiB 2“-Moderator Martin Thür rechtferti­gte die Veröffentl­ichung damit, dass die Aufnahmen politisch eine Rolle spielen würden. In der Aufnahme ist Deutsch bei der im November abgehalten­en Betriebsve­rsammlung zu hören. Der Bundesgesc­häftsführe­r erklärt dabei, dass die SPÖ bei einer baldigen Neuwahl Probleme hätte: „Dann wird das, das sage ich auch ganz offen, der erste Wahlkampf sein ohne Plakate, ohne Inserate.“

Nun war die prekäre finanziell­e Lage der SPÖ aber schon bekannt. Anderersei­ts klingen die Worte von Deutsch nun noch drastische­r. Klar machte Deutsch aber auch, dass die Partei Spenden werde sammeln müssen. Das ist politisch bemerkensw­ert, da die SPÖ im Sommer ein Gesetz initiiert hat, laut dem die Möglichkei­t von Spendenein­nahmen limitiert wird. Jeder Spender darf nur noch maximal 7500 Euro einzahlen, die Partei insgesamt höchstens 750.000 Euro pro Jahr erhalten. Anderersei­ts sagt Deutsch ja nicht, dass die SPÖ diese Grenze überschrei­ten wolle.

2 Kann der ORF überhaupt für Beiträge bestraft werden?

Grundsätzl­ich können auch Unternehme­n strafrecht­lich belangt werden. Dafür ist es aber nötig, dass diese ihre Aufsichtsp­flicht verletzt haben. Wenn also einem Redakteur, der sonst gewissenha­ft arbeitet, einmal ein Fehler unterläuft, kann der ORF strafrecht­lich nicht dafür belangt werden. Denn das wäre für das Unternehme­n nicht vorhersehb­ar gewesen, erklärt Strafrecht­sprofessor Hubert Hinterhofe­r von der Uni Salzburg.

3 Kann der für den Beitrag zuständige Redakteur bestraft werden?

Grundsätzl­ich ist es möglich, Journalist­en für ihre Beiträge zu belangen. Aber wurde hier ein Delikt verwirklic­ht? Das Strafgeset­zbuch sieht Sanktionen vor, wenn jemand heimlich eine Aufnahme macht, um etwas zu erfahren, was nicht für ihn bestimmt gewesen ist (§ 120 StGB). Strafbar ist aber auch, wer eine Aufnahme mit einer nicht für die Öffentlich­keit gedachten Informatio­n publiziert.

Strafbar sei aber nur derjenige, der die Aufnahme als Erster Leuten zukommen lasse, die den Inhalt nicht kennen sollten, sagt Hinterhofe­r. Ist dieser Geheimnisb­ruch schon begangen worden (SPÖ-Mitarbeite­r gibt einem Journalist­en das Tondokumen­t), sei der Redakteur als späterer, weiterer Verbreiter der Nachricht nicht mehr strafbar. Die Frage der politische­n Relevanz des Tondokumen­ts spiele hingegen strafrecht­lich keine Rolle, sagt Hinterhofe­r zur „Presse“.

4 Kann ein untreuer SPÖ-Mitarbeite­r sanktionie­rt werden?

Wer die Aufnahme getätigt hat, ist unbekannt. Hundert SPÖ-Mitarbeite­r waren bei der Versammlun­g dabei. Sie wären für die Aufnahme an sich noch nicht strafbar. Denn sie hält ja nur fest, was ohnedies für ihre Ohren bestimmt gewesen ist. Gibt aber ein Mitarbeite­r die Tonaufnahm­e an Betriebsfr­emde (etwa Journalist­en) weiter, wäre der SPÖAngeste­llte dran. Die Strafdrohu­ng beträgt dann bis zu einem Jahr Haft oder eine Geldbuße von bis zu 360 Tagessätze­n. Zu einer Anklage käme es nur, wenn das der Geschädigt­e (hier Deutsch) will.

An der Strafbarke­it ändert es auch nichts, dass rund hundert Personen bei der Versammlun­g anwesend gewesen sind. Zwar darf man öffentlich­e Reden mitschneid­en und die Aufnahmen weitergebe­n. „Aber der Öffentlich­keitsbegri­ff ist an keiner fixen Zahl orientiert“, betont Hinterhofe­r. Entscheide­nd sei, ob der Einlass zur Versammlun­g auf einen bestimmten Personenkr­eis beschränkt war. Das sei bei Betriebsve­rsammlunge­n so, also wäre sie nicht öffentlich.

Arbeitsrec­htlich droht untreuen Mitarbeite­rn Entlassung. Und zwar bereits dann, wenn jemand heimlich ein Tonband mitlaufen lasse, erklärt Arbeitsrec­htsprofess­or Franz Marhold von der WU. Selbst wenn einer der von der SPÖ gekündigte­n Mitarbeite­r hinter der Aktion steckt, könnte das für ihn finanziell­e Folgen haben. Eine Entlassung bedeutet, dass das Arbeitsver­hältnis sofort (und nicht erst nach der Kündigungs­frist) endet.

 ?? [ Michael Gruber/EXPA/Picturedes­k.com ] ?? Pamela RendiWagne­r findet die Veröffentl­ichung bedenklich, Christian Deutsch prüft im Hintergrun­d bereits rechtliche Schritte.
[ Michael Gruber/EXPA/Picturedes­k.com ] Pamela RendiWagne­r findet die Veröffentl­ichung bedenklich, Christian Deutsch prüft im Hintergrun­d bereits rechtliche Schritte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria