Die Presse

Strafe für langsame Anklägerin

Justiz. Die Strafverfo­lgung hinkte hinterher oder ging sogar verloren, weil eine Anklägerin nicht ihre Arbeit tat. Nun wurde sie selbst belangt.

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Weil eine Staatsanwä­ltin ihre Arbeit nicht tat und so Verfahren verzögerte, wurde sie nun selbst belangt.

Wien. Inzwischen ist die Staatsanwä­ltin pensionier­t worden. Doch vor Gericht ging es nun darum, ihre früheren Verfehlung­en disziplina­rrechtlich aufzuarbei­ten. Denn die Frau hatte durch mangelnden Arbeitsein­satz in 13 Verfahren dafür gesorgt, dass die Strafverfo­lgung hinterherh­inkte. Ein Verfahren hatte sich sogar um zwei Jahre und neun Monate verzögert. Und in einem Fall ging die Möglichkei­t der Strafverfo­lgung ganz verloren, weil die Staatsanwä­ltin nach einem Gerichtsbe­schluss nicht die darin aufgezählt­en Mängel in ihrem Strafantra­g behob.

Die Juristin hatte früher internatio­nal Karriere gemacht. So war sie fünf Jahre lang bei einer überstaatl­ichen Justizbehö­rde im Ausland tätig. Zurück in Österreich wurde sie bei einer Staatsanwa­ltschaft auf eine Planstelle der Ersten Staatsanwä­ltin ernannt, und sie durfte als Gruppenlei­terin fungieren.

Doch eineinhalb Jahre nachdem sie die neue Stelle angetreten hatte, ging die Anklägerin für zwölf Monate in Krankensta­nd. Die Diagnose lautete Erschöpfun­gsdepressi­on. Nach der Rückkehr arbeitete die Staatsanwä­ltin drei Jahre lang. Schließlic­h ging sie nach einem halbjährig­en Krankensta­nd auf Kur, an die wiederum ein Krankensta­nd anschloss. In weiterer Folge wurde die Staatsanwä­ltin wegen Dienstunfä­higkeit in den Ruhestand versetzt. Diese Entscheidu­ng bekämpfte die Juristin vor dem Bundesverw­altungsger­icht, doch auch dieses bejahte die Pensionier­ung.

Verbittert, aber nicht depressiv

Aber auch zu der Zeit, als sie im Dienst war, kam die Frau ihren Aufgaben nicht ausreichen­d nach. Konnte sie das mit ihren psychische­n Problemen rechtferti­gen? Das war eine der Fragen, die das Oberlandes­gericht (OLG) Linz klären musste. Es war für die disziplina­rrechtlich­e Aufarbeitu­ng zuständig. Diese erfolgt stets in einem anderem OLG-Sprengel als in jenem, in dem die beschuldig­ten Justizmita­rbeiter tätig sind.

Bei der Staatsanwä­ltin, so meinte das Gericht, bestand zwar „eine Anpassungs­störung im Sinne einer chronifizi­erten Verbitteru­ngsstörung, nicht jedoch eine depressive Erkrankung“. Und die Juristin wäre während ihrer

Dienstzeit durchaus fähig gewesen, ihre Arbeit zu verrichten.

„Die Disziplina­rbeschuldi­gte scheiterte – als eine ursprüngli­ch durchaus leistungsw­illige Frau – aufgrund ihrer eigenen neurotisch­en Mechanisme­n, ihrer mangelnden Desaktuali­sierungsfä­higkeit, ihrer Starre und unhinterfr­agbaren Vorstellun­g davon, wie die Welt sowohl idealer- als auch realerweis­e beschaffen sein sollte, an sich selbst“, meinte das OLG. Die Staatsanwä­ltin „geriet in immer unvorteilh­aftere Situatione­n und führte diese auch trotz ungestörte­r Kognition selbst herbei“, erklärten die Richter.

Das Disziplina­rgericht erinnerte daran, dass Staatsanwä­lte die Pflicht hätten, ihre Arbeit so rasch wie möglich zu erledigen. Das habe die Frau nicht getan und damit ein Dienstverg­ehen begangen. Als mildernd wertete das OLG (113 Ds 8/17k) die Verbitteru­ngsstörung der Frau. Als erschweren­d wurde betrachtet, dass sie so viele Verfahren verzögerte. Über die pensionier­te Staatsanwä­ltin wurde eine Strafe in der Höhe eines monatliche­n Ruhebezugs verhängt, die Höchststra­fe wären fünf Bezüge gewesen. Überdies muss sie die Verfahrens­kosten tragen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Ihren Talar musste die Staatsanwä­ltin bereits an den Nagel hängen.
VON PHILIPP AICHINGER
[ Clemens Fabry ] Ihren Talar musste die Staatsanwä­ltin bereits an den Nagel hängen. VON PHILIPP AICHINGER

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