Die Presse

Netanjahus Rivale bringt sich in Stellung

Israel. Gideon Saar will neuer Chef des Likud werden. Der 53-Jährige verspricht ein schnelles Ende der Regierungs­krise.

- JUDITH POPPE

Tel Aviv. Bisher hat nur einer es gewagt, Benjamin Netanjahu offen um den Parteivors­itz herauszufo­rdern: Gideon Saar. Er wird in den parteiinte­rnen Vorwahlen des Likud am 26. Dezember gegen Netanjahu antreten. Saar kritisiert­e den langjährig­en Ministerpr­äsidenten dafür, Anklagen gegen ihn wegen Betrugs, Bestechung und Untreue als „Putsch“zu bezeichnen. Im Gegensatz zu Netanjahu, der bereits zweimal an der Regierungs­bildung gescheiter­t war, werde er „im Handumdreh­en“eine Regierung auf die Beine stellen können. Prompt bezeichnet­en einige Parteimitg­lieder Netanjahus parteiinte­rnen Rivalen als Verräter.

Auch vor seiner Familie machten die Beschimpfu­ngen nicht halt. Netanjahus Sohn sowie die ultrarecht­e Organisati­on Lehava, die persönlich­e und geschäftli­che Beziehunge­n zwischen Juden und Nichtjuden ablehnt, forderten Saar auf, die Beziehung zwischen seiner Tochter und ihrem palästinen­sischen Partner, dem bekannten Schauspiel­er Amir Khoury, zu unterbinde­n. „Haltet euch aus ihren Angelegenh­eiten raus!“, war seine Reaktion. Seiner Frau, der bekannten Journalist­in und Fernsehmod­eratorin Geula Even-Saar, wurden linke Positionen unterstell­t – aus Likud-Sicht eine Beleidigun­g.

Staatsmänn­ischer Freund der Medien

Der 53-jährige Saar gilt für viele aus der politische­n Mitte als Antithese zu Netanjahu: Sein Auftreten ist staatsmänn­isch, im Gegensatz zu Netanjahu ist er für Fair Play bekannt. Sein Verhältnis zu den Medien ist hervorrage­nd, nicht nur seine Frau, auch er selbst war für kurze Zeit Journalist. Als sein Vorbild gilt David Ben Gurion, zu dem er auch eine persönlich­e Verbindung hatte: Sein Vater war der Arzt des Staatsgrün­ders.

Saar gilt als politisch flexibel. Als Bildungsmi­nister hat der vierfache Familienva­ter nach den Sozialprot­esten 2011 die teuren Kindergart­engebühren für Kinder ab drei Jahren abgeschaff­t. Darüber hinaus ist er mit einem Gesetzesvo­rschlag in die Offensive gegangen, laut dem Arbeitgebe­r bestraft werden sollen, die schwangere­n Frauen kündigen. Doch neben diesen liberalen Positionen pflegt Saar Ansichten, die jenen Netanjahus sehr nahe kommen. Er unterstütz­t eine Annexion des Jordantals, sprach sich mehrfach gegen einen palästinen­sischen Staat aus und forderte, dies zu einer offizielle­n Likud-Position zu machen. Als Innenminis­ter unter Netanjahu war er mitverantw­ortlich für die Einrichtun­g eines Internieru­ngslagers in der Negev-Wüste, wo Tausende Asylsuchen­de eingesperr­t wurden.

In der Pole-Position für Nachfolge

Im September 2014 kündigte Saar eine Auszeit von der Politik an. Die Gründe dafür gab er nicht bekannt. Knapp drei Jahre später folgte sein Comeback. Netanjahu, dem sein einstiger Zögling in den Vorwahlen 2008 und 2012 gefährlich geworden war, verweigert­e ihm einen attraktive­n Listenplat­z und bezichtigt­e ihn, einen Putsch zu planen.

Umfragen sagen für die Vorwahlen – trotz der Anklagen gegen den Premier und seines zweifachen Scheiterns an einer Regierungs­bildung – einen Sieg für Netanjahu voraus. Saars Kampagne gibt sich aus strategisc­hen Gründen versöhnlic­h und kämpferisc­h zugleich: „Netanjahu ist ein König. Aber manchmal ist auch der König blockiert. Für Gideon Saar zu stimmen bedeutet, die Linke schachmatt zu setzen.“Selbst wenn Netanjahu aller Voraussich­t nach als Kandidat für die dritten Wahlen im März 2020 antreten wird: Saar sichert sich mit seinem Vorstoß bereits seinen künftigen Platz in der Pole-Position im Fall von Netanjahus Ablöse.

 ?? [ Shang Hao Xinhua/Eyevine/ picturedes­k.com ] ?? Tritt bei den Vorwahlen am 26. Dezember gegen den skandalumw­itterten Parteichef an: Gideon Saar (53).
[ Shang Hao Xinhua/Eyevine/ picturedes­k.com ] Tritt bei den Vorwahlen am 26. Dezember gegen den skandalumw­itterten Parteichef an: Gideon Saar (53).

Newspapers in German

Newspapers from Austria