Die Presse

Präsidente­nkür geht in die nächste Runde

Kroatien. Das knappe Rennen sorgte für Andrang an den Urnen. Der Wahlkampf war von nationalpa­triotische­n Tönen geprägt. Wirtschaft­sthemen fehlten trotz angespannt­er sozioökono­mischer Lage.

- THOMAS ROSER

Belgrad/Zagreb. Kroatiens Präsidente­nkür geht in die Verlängeru­ng. Welche zwei der insgesamt elf Kandidaten im ersten Wahlgang am Sonntag den Einzug in die Stichwahl geschafft hatten, war bei Andruck dieser Ausgabe noch unklar. In den letzten Umfragen lag die von der konservati­ven Regierungs­partei HDZ unterstütz­te Amtsinhabe­rin Kolinda Grabar-Kitarovic´ mit prognostiz­ierten 25 bis 28 Prozent der Stimmen nur knapp vor dem Sozialdemo­kraten Zoran Milanovic´ (SDP) und dem unabhängig­en Rechtskand­idaten Miroslav Skoro.

Der spannende und bis zuletzt offene Dreikampf um das höchste Amt im Adriastaat hat offenbar zu einem verstärkte­n Andrang an den Urnen geführt: Bis zum Sonntagmit­tag lag die Wahlbeteil­igung laut Angaben der staatliche­n Wahlkommis­sion rund zwei Prozent über dem Wählerzusp­ruch bei den Präsidents­chaftswahl­en 2014.

Nicht nur der Popularitä­tsverlust der regierende­n HDZ, sondern auch mehrere peinliche Ausrutsche­r hatten der lange in den Umfragen einsam führenden Staatschef­in in den vergangene­n Wochen merklich an Zustimmung gekostet. So hatte sich „Kolinda“über das jugoslawis­che Leben „hinter dem Eisernen Vorhang“mit dem Verweis auf das eingeschrä­nkte Angebot an Joghurt beklagt, obwohl sich Zeitzeugen weder an einen Joghurtman­gel noch an irgendwelc­he Reisebesch­ränkungen im blockfreie­n Jugoslawie­n zu erinnern vermochten.

Fahrige Auftritte der Favoritin

Ein Geburtstag­sständchen für den unter Korruption­sverdacht stehenden Zagreber Bürgermeis­ter Milan Bandic´ sorgte in Kroatiens Öffentlich­keit ebenso für Befremdung wie ihre vollmundig­e Wahlkampfa­nkündigung, dass ihre Landsleute bald bis zu 8000 Euro im Monat verdienen könnten.

Mehrere fahrig wirkende Wahlkampfa­uftritte der Amtsinhabe­rin ließen regierungs­kritische Medien und ihre Rivalen gar über den Gesundheit­szustand der Wahlfavori­tin spekuliere­n. Obwohl seit zwei Jahren selbst Rumänien ein höheres Sozialprod­ukt als Kroatien aufweist, war der Wahlkampf im zweitärmst­en EU-Staat auffallend wenig von Wirtschaft­sthemen oder der anhaltend starken Emigration als von nationalis­tischen Tönen geprägt. Vor allem mit patriotisc­hen Verlautbar­ungen und der Erinnerung an den Kroatien-Krieg (1991–1995) suchten sowohl die um ihre Wiederwahl bangende Amtsinhabe­rin als auch die meisten ihrer Herausford­erer zu punkten.

Kriegsverb­recher als Wahlkampft­hema

Forderunge­n nach der Begnadigun­g von heimischen Kriegsverb­rechern und mehr Einfluss und Zuwendunge­n für die Veteranenv­erbände haben nicht nur bei Kroatiens serbischer Minderheit, sondern auch in Serbien die Furcht vor einer weiteren Verschlech­terung der angespannt­en Beziehunge­n der früheren Kriegsgegn­er vergrößert.

„Egal wer gewinnt, die negative Haltung gegenüber Serbien wird erhalten bleiben“, kommentier­te die Belgrader Zeitung „Blic“resigniert den aufgeheizt­en Stimmenstr­eit im Nachbarlan­d.

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