Präsidentenkür geht in die nächste Runde
Kroatien. Das knappe Rennen sorgte für Andrang an den Urnen. Der Wahlkampf war von nationalpatriotischen Tönen geprägt. Wirtschaftsthemen fehlten trotz angespannter sozioökonomischer Lage.
Belgrad/Zagreb. Kroatiens Präsidentenkür geht in die Verlängerung. Welche zwei der insgesamt elf Kandidaten im ersten Wahlgang am Sonntag den Einzug in die Stichwahl geschafft hatten, war bei Andruck dieser Ausgabe noch unklar. In den letzten Umfragen lag die von der konservativen Regierungspartei HDZ unterstützte Amtsinhaberin Kolinda Grabar-Kitarovic´ mit prognostizierten 25 bis 28 Prozent der Stimmen nur knapp vor dem Sozialdemokraten Zoran Milanovic´ (SDP) und dem unabhängigen Rechtskandidaten Miroslav Skoro.
Der spannende und bis zuletzt offene Dreikampf um das höchste Amt im Adriastaat hat offenbar zu einem verstärkten Andrang an den Urnen geführt: Bis zum Sonntagmittag lag die Wahlbeteiligung laut Angaben der staatlichen Wahlkommission rund zwei Prozent über dem Wählerzuspruch bei den Präsidentschaftswahlen 2014.
Nicht nur der Popularitätsverlust der regierenden HDZ, sondern auch mehrere peinliche Ausrutscher hatten der lange in den Umfragen einsam führenden Staatschefin in den vergangenen Wochen merklich an Zustimmung gekostet. So hatte sich „Kolinda“über das jugoslawische Leben „hinter dem Eisernen Vorhang“mit dem Verweis auf das eingeschränkte Angebot an Joghurt beklagt, obwohl sich Zeitzeugen weder an einen Joghurtmangel noch an irgendwelche Reisebeschränkungen im blockfreien Jugoslawien zu erinnern vermochten.
Fahrige Auftritte der Favoritin
Ein Geburtstagsständchen für den unter Korruptionsverdacht stehenden Zagreber Bürgermeister Milan Bandic´ sorgte in Kroatiens Öffentlichkeit ebenso für Befremdung wie ihre vollmundige Wahlkampfankündigung, dass ihre Landsleute bald bis zu 8000 Euro im Monat verdienen könnten.
Mehrere fahrig wirkende Wahlkampfauftritte der Amtsinhaberin ließen regierungskritische Medien und ihre Rivalen gar über den Gesundheitszustand der Wahlfavoritin spekulieren. Obwohl seit zwei Jahren selbst Rumänien ein höheres Sozialprodukt als Kroatien aufweist, war der Wahlkampf im zweitärmsten EU-Staat auffallend wenig von Wirtschaftsthemen oder der anhaltend starken Emigration als von nationalistischen Tönen geprägt. Vor allem mit patriotischen Verlautbarungen und der Erinnerung an den Kroatien-Krieg (1991–1995) suchten sowohl die um ihre Wiederwahl bangende Amtsinhaberin als auch die meisten ihrer Herausforderer zu punkten.
Kriegsverbrecher als Wahlkampfthema
Forderungen nach der Begnadigung von heimischen Kriegsverbrechern und mehr Einfluss und Zuwendungen für die Veteranenverbände haben nicht nur bei Kroatiens serbischer Minderheit, sondern auch in Serbien die Furcht vor einer weiteren Verschlechterung der angespannten Beziehungen der früheren Kriegsgegner vergrößert.
„Egal wer gewinnt, die negative Haltung gegenüber Serbien wird erhalten bleiben“, kommentierte die Belgrader Zeitung „Blic“resigniert den aufgeheizten Stimmenstreit im Nachbarland.