Ohne Strache kein Türkis-Grün
Dass Türkis und Blau einmal zusammen waren, kann man sich kaum noch vorstellen. Dass Türkis und Grün bald zusammen sind, auch nicht wirklich.
A m 15. Dezember 2017 stand die Regierung Kurz I. Die Nationalratswahl war genau zwei Monate davor, am 15. Oktober, gewesen. Die Koalitionsverhandlungen waren zügig vorangegangen, ohne größere Irritationen. Bei den Schwerpunkten war man sich ohnehin einig: restriktive Zuwanderungspolitik, Nulldefizit, steuerliche Förderung arbeitender Menschen (mit Familie), Reformen im Sozialversicherungsbereich, Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Zwei Parteien rechts der Mitte hatten sich (die Jahre zuvor) zwar nicht unbedingt gesucht, aber letztlich recht rasch gefunden.
Nicht nur ideologisch war man einander nahe, auch die Chemie zwischen den Parteichefs stimmte. Und die Zustimmungsraten in der Bevölkerung waren beachtlich – vor allem in Hinblick auf die rot-schwarzen Koalitionen davor. ÖVP und FPÖ arbeiteten konsequent das Regierungsprogramm ab, es ging was weiter, nur ein paar erfahrene Legisten hätte man vielleicht zurate ziehen sollen.
Unerwartet ging das Projekt dann vor der spanischen Küste unter. Zur Bestätigung der stets mit großer Aufregung dargebrachten Befürchtungen der FPÖ-Gegner und durchaus auch der klammheimlichen mancher Freiheitlicher zeigte sich: Mit Heinz-Christian Strache war kein Staat zu machen. Das System Strache setzte dort fort, wo das System Haider geendet hatte. In Sachen kreativer, mutmaßlich auch illegaler Parteienfinanzierung ebenso wie bei der Spesengebarung.
Hier glaubten in ihrer Hybris beide, dass ihnen das zustehe, eine Rund-umVersorgung, finanziert von der Partei. Denn ohne sie, so glaubten sie, sei die Partei nichts. Sie hatten sich schließlich aufgeopfert für die Partei, Tag und Nacht, und sie (wieder) groß gemacht.
Die einfache, in ihrer Logik auch naheliegende Regierungsvariante für eine „ordentliche Mitte-rechts-Politik“, wie sie Sebastian Kurz vorschwebt, war damit vom Tisch. Der Wahlsieger musste es mit den Grünen versuchen. Das kann, wenn es gelingt, eine schöne Familienzusammenführung im bürgerlichen Lager werden: der Grün-wählenden (Post-68er-)Eltern und ihrer Kurz-wählenden Kinder. Mitunter auch umgekehrt.
Aber, wie sich nun zeigt, so einfach ist das eben nicht. Wir haben den 23. Dezember, die Wahl war am 29. September, und eine Regierung gibt es noch immer nicht. Aber sie ist immerhin einmal in Sichtweite. Die ÖVP hätte auch schon fertig sein wollen, doch je mehr sie Tempo macht, desto mehr fühlen sich die Grünen unter Druck gesetzt. Sie wollen gleich auch das Kleingedruckte noch mitausverhandeln, der ÖVP würden bei nachrangigen Kapiteln die Überschriften schon reichen.
Das Misstrauen, von der ÖVP über den Tisch gezogen zu werden, ist bei den Grünen größer, als es bei der FPÖ 2017 war. Und das Misstrauen der ÖVP gegenüber den Grünen, vor allem gegenüber ihrer unberechenbaren Basis, ist ebenfalls größer. Weil auch die inhaltlichen, ideologischen Unterschiede größer sind. Hier würden keine zwei Parteien rechts der Mitte miteinander koalieren, sondern eine linke und eine rechte. Und wie das bei SPÖ und ÖVP ausgegangen ist, wissen wir: nicht sonderlich gut. Blockade, Abtauschpolitik – ich geb’ dir was für die Bauern, du mir was für die Gewerkschaft –, Stillstand.
Auch der Einfluss diverser NGOs auf die Grünen wird bei der ÖVP mit großer Skepsis verfolgt. Denn diese könnten sich gewissermaßen als das entpuppen, was die Burschenschafter bei den Freiheitlichen waren: Eine Gruppe, die sich mangels anderen Personals in den Kabinetten der Ministerien breitmacht und dann über die Einhaltung der reinen Lehre wacht.
E
ine Koalition aus ÖVP und Grünen wird also nur mit einer gehörigen Portion Pragmatismus funktionieren. Die ÖVP beherrscht das Regierungsgeschäft des Kompromisses bereits – in der Vergangenheit oft mehr, als ihr guttat –, die Grünen werden das lernen müssen. Vor allem die Funktionäre abseits des Regierungsviertels, die dann nicht bei jeder Story a` la „Insekten in Stadien“in Schnappatmung verfallen sollten.
Es wird nicht leicht. Aber es ist wohl alternativlos.