Eine Frau stellt die „Machowelt“auf den Kopf
Darts. Das WM-Märchen von Fallon Sherrock geht in die Verlängerung, sie besiegte auch den Wiener Mensur Suljovi´c. Warum nichts gegen weitere Siege der Engländerin spricht – und welchen Vorteil sie gegenüber der Konkurrenz hat.
Schon beim Einmarsch in den bis auf den letzten Platz gefüllten Alexandra Palace im Norden Londons hagelte es Pfiffe und Buhrufe für Österreichs besten Dartsspieler Mensur Suljovic.´ Der Wiener, eigentlich einer der beliebtesten Spieler auf der Tour, quittierte die Reaktion des Publikums mit einem Grinsen. Er wusste schon im Vorfeld, was an diesem Samstagabend auf ihn zukommen würde.
Der Schauplatz der Dartsweltmeisterschaft ist traditionell ein Tollhaus, dass sich die Zuschauer aber derart auf eine Seite schlagen und an der Grenze zur Unsportlichkeit agieren, ist ein Novum. Auch während des Spiels änderte sich nichts an der Stimmungslage. Der Grund: Suljovic´ spielte gegen Fallon Sherrock. Eine Frau, die bis vor wenigen Tagen nur absoluten Dartsinsidern ein Begriff war, die mit ihrem Erstrundensieg im „Ally
Pally“aber Geschichte geschrieben hatte. Noch nie zuvor war einer Frau in der bislang von Männern dominierten Dartswelt ein WM-Sieg gelungen.
Der Erfolg der 25-Jährigen schlug medial immens hohe Wellen, nach ihrem 3:1-Sieg über Suljovic´ hatte sich das Publikum derart verausgabt, dass im darauffolgenden und letzten Spiel des Tages keinerlei Stimmung mehr herrschte, viele Fans sogar die Halle verlassen hatten und in umliegenden Pubs die nächste Sternstunde Sherrocks feierten.
„Ich warte immer noch darauf, dass ich das begreifen kann. Ich weiß gar nicht, wie ich heute Nacht schlafen soll“, sucht Sherrock, die als „Queen of the Palace“der absolute Publikumsliebling dieser Weltmeisterschaft ist, nach Worten. Der Triumph über den Weltranglistenelften Suljovic´ war absolut verdient. Die gelernte Friseurin aus der Grafschaft Buckinghamshire in Südengland spielte herausragendes Darts. Sie traf elf ihrer 16 Versuche auf die Doppelfelder, das machte eine Check-outQuote von 69 Prozent. Alles über 50 Prozent gilt bereits als sehr gut. Suljovic´ hingegen brachte es nur auf 33 Prozent und musste die Überlegenheit seiner Konkurrentin anerkennen. Nach Sherrocks verwandeltem Matchdart gratulierte der Österreicher artig, verschwand danach aber schwer enttäuscht fluchtartig von der WM-Bühne, die ihm abermals kein Glück gebracht hatte. Sein bestes Ergebnis bleibt der Einzug ins Achtelfinale (2011, 2016, 2018).
Die Siege Sherrocks werden allerorts als Sensation gefeiert, natürlich wurde dadurch auch die Geschlechterdebatte im Sport neu angeheizt, dabei spricht im Darts sportlich wie physisch rein gar nichts gegen Erfolge von Frauen über Männer. Sherrock genießt bei dieser WM nicht nur die volle Unterstützung des Publikums, sie hat dieser Tage wohl sogar einen nicht unbeträchtlichen, psychologischen Vorteil. „Ich glaube, die Männer können nur verlieren. Es liegt wirklich daran, dass das eine Machowelt ist. Die Männer denken, das ist ihre Domäne“, sagt Elmar Paulke, deutscher Dartsexperte und für Dazn als Kommentator im Einsatz, der DPA. Gerwyn Price, die Nummer drei der Weltrangliste, unterstrich diese These. „Du willst nicht gegen eine Frau verlieren, weder auf der Bühne noch im Pub.“
Sherrock, vor der sich auch Dartslegende und Rekordweltmeister Phil Taylor auf Twitter verneigte („Super gemacht, ich freue mich sehr für dich“), bestreitet ihr Drittrundenspiel gegen den Engländer Chris Dobey am Freitagnachmittag (14.45 Uhr, live auf Sport 1, Dazn). Grenzen sieht sie keine. Auf die Frage, ob sie den Titel gewinnen könne, antwortete Sherrock: „Warum nicht?“