Die fatalen Folgen des 12-Stunden-Tags
Der 12-Stunden-Tag stellt eine enorme Belastung für jedes Familienleben dar, vor allem aber für (alleinerziehende) Mütter.
Der 12-Stunden-Tag ist mittlerweile in gut 30 Prozent der österreichischen Unternehmen Realität geworden. Das ergab eine Umfrage, die von Deloitte Österreich, der Universität Wien und der Universität Graz durchgeführt wurde. Befürworter des 12-Stunden-Tags sagen, damit sei für mehr Flexibilität im Arbeitsleben gesorgt.
Das Gegenteil ist der Fall. Vor allem für Mütter. Denn noch immer ist die staatliche Kinderbetreuung mit einer Vollzeitbeschäftigung in Österreich schwer zu vereinbaren. Es gibt lediglich für 36 Prozent der Kinder im Volksschulalter eine schulische Tagesbetreuung bzw. eine außerschulische Betreuungseinrichtung. Daher hat nur jedes dritte Kind in Österreich einen Platz, der mit einem 8-Stunden-Arbeitstag vereinbar ist. Bei einem 12-Stunden-Tag spitzt sich die Situation noch um einiges zu.
Außerhalb von Wien haben nur zwei Prozent der Krippen und Kindergärten derart lange Betreuungszeiten. In vielen Gegenden Österreichs gilt eine Frau, deren Kind(er) am Nachmittag den Hort besuchen, als Rabenmutter. Mütter sind dem sozialen Druck ausgesetzt, sich aktiv ins Schulleben einzubringen. So hat Mutti die „gesunde Jause“für die Volksschulklasse – natürlich selbst gemacht – auf den Schultisch zu zaubern. Ich schreibe hier bewusst Mutti; denn es ist noch immer der Normalfall in Österreich, dass Haushalt und Kinderbetreuung von Frauen erledigt werden.
12-Stunden-Tage bzw. 60-Stunden-Woche betreffen nicht den bestens bezahlten Manager (für diesen gilt das Arbeitszeitgesetz ohnedies nicht) mit seiner „All-in-Lösung“, sondern Familien, in denen beide Elternteile arbeiten müssen. Besonders betroffen von der Arbeitszeiterhöhung sind Alleinerzieherinnen. Diese verfügen meist über ein geringes Einkommen, mit dem Fremdbetreuung nur schwer leistbar ist. Soll eine alleinerziehende Mutter ihrem Kind sagen: „Ich bin dann mal von Dienstag bis Donnerstag weg, dafür hast Du mich verlängert zum Wochenende, vorausgesetzt ich kippe nicht vor Müdigkeit um.“Zeit für Erholung verbleibt der Mutti am Wochenende nicht. Einkauf und sonstige Erledigungen bleiben an den langen Arbeitstagen liegen und müssen dann in der sogenannten Freizeit nachgeholt werden. Von sogenannter „Quality Time“ist nicht die Rede.
Familienleben und Kinder lassen sich nicht auf Zeitblöcke beschränken. Auch wenn die Erhöhung der Tagesarbeitszeit dem Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfs vorbehalten sein soll, ist die Unsicherheit der Arbeitnehmer gestiegen. Denn kaum jemand wagt es, seinem Chef abzusprechen, dass sein Einsatz als Mitarbeiter gefordert ist. Schließlich bedarf auch eine Mitarbeiterkündigung keiner Begründung. Wer nicht Einsatz und Freiwilligkeit zeigt, läuft Gefahr, den Job zu verlieren. Arbeitszeitüberschreitungen gab es zwar schon immer, doch standen diese unter Sanktion.
Natürlich ist es eine persönliche Entscheidung, ob man selbst-/ oder unselbstständig erwerbstätig ist. Wie man im Volksmund so gern sagt, arbeitet der Selbstständige eben „selbst und ständig“. Ein Arbeitnehmer dafür arbeitet fremdbestimmt, seine Arbeitszeit ist dafür begrenzt.
Der 12-Stunden-Tag stellt eine enorme Belastung für das Familienleben dar und wird sicher nicht dazu beitragen, dass die Scheidungsrate sinkt. Bald wird es (wenn es nicht ohnedies bereits der Fall ist) wieder heißen „Schatzi, das lohnt sich doch alles nicht, bleib zu Hause“. Das Schatzi ist nur leider immer noch meist die Frau.