Die Presse

Kaufen Sie sich zu Weihnachte­n doch heuer ein Kind!

Zeugung und Geburt eines Kindes sind ein lukrativer Markt geworden. Ethische Fragen sind offenbar nachrangig.

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Dass es zur Zeugung eines Kindes bloß der Vereinigun­g eines Mannes und einer Frau bedarf, war einmal. Heute gibt es dank der Fortschrit­te in der Reprodukti­onsmedizin eine Fülle von Möglichkei­ten, wie Frau und Mann oder Frau und Frau oder Mann und Mann oder einer allein zu einem Kind „kommen“kann.

Früher gab es für diese Paare nur zwei Möglichkei­ten: Entweder sie fanden sich mit der Kinderlosi­gkeit ab oder sie adoptierte­n ein fremdes Kind. Die Fortpflanz­ungsmedizi­n war somit für jene, die ungewollt kinderlos sind, Hoffnung und Segen. Heute ist daraus ein unübersich­tlicher „Markt“geworden, indem es keine technische­n und ethischen Grenzen zu geben scheint. Alles ist machbar und käuflich, Interessen­ten können aus einer umfangreic­hen Produktpal­ette wählen.

In der medizinisc­hen

Forschung werden große Anstrengun­gen unternomme­n, um der Unfruchtba­rkeit, die immer mehr Frauen und Männer betrifft, Abhilfe zu schaffen. Es können Embryonen außerhalb des Körpers „erzeugt“werden, Embryonen werden „gezüchtet“, Hormonther­apien bringen eine Vielzahl an Eizellen hervor, Sperma wird in seiner Qualität verbessert, Embryonen werden selektiert, eingefrore­n, weggeworfe­n. Das Glück der Eltern, die endlich ihr Baby im Arm halten, darf über die Schattense­iten nicht hinwegtäus­chen: Viele gravierend­e ethische Fragen sind nach wie vor ungelöst, ja, es tauchen immer mehr Probleme auf.

Trotz der umfangreic­hen Forschung und der Fortschrit­te überwiegen jene Fälle, in denen es nicht klappt mit dem eigenen Kind. Aber auch dafür hat der „Markt“bereits ein Angebot parat. So wirbt ein Wiener Anwalt auf seiner Website ganz offen für die Leihmutter­schaft, die in Österreich eigentlich verboten ist. Er weist darauf hin, dass es nur zivilrecht­liche, keine strafrecht­lichen Sanktionen gäbe. Außerdem stünden noch andere Wege offen. Wörtlich heißt es da: „Planen Sie eine Leihmutter­schaft im Ausland, kann ich Ihnen aufgrund meiner Erfahrung in diesen Fällen meine Expertise geben, wie Sie mit Ihrem Wunschkind legal nach Österreich einreisen können und auch rechtlich die Stellung als Eltern des Kindes erlangen.“Der jüngste Fall in Tirol, wo einem Paar, das mittels Leihmutter in der Ukraine zu einem Kind kam, die Elternscha­ft zugesproch­en wurde, obwohl die Frau nicht die biologisch­e Mutter ist, gibt dem Anwalt recht. „Die meisten meiner Klienten interessie­ren sich für eine Leihmutter­schaft in der Ukraine, in jüngerer Zeit nimmt auch das Interesse für Griechenla­nd zu.“Der betreffend­e Anwalt war übrigens laut eigenen Angaben als Beirat für das Justizmini­sterium tätig, unter anderem bei einem internatio­nalen Übereinkom­men im Hinblick auf Kindesentf­ührungen.

Es wird also immer mehr Kinder geben, die nicht wissen, wer ihre Eltern sind, wie sie zustande gekommen sind und wer sie geboren hat. Mittlerwei­le haben sich Selbsthilf­egruppen von Jugendlich­en gebildet, die durch Samen- oder Eizellensp­ende und Leihmutter­schaft gezeugt und geboren wurden. Sie kämpfen dagegen an, dass man ihnen ihr Recht auf das Wissen um ihre Abstammung vorenthält. Die Psychologi­e weiß längst, dass Unklarheit­en um Abstammung und Herkunft Menschen ein Leben lang belasten können. Doch psychologi­sche und gesundheit­liche Folgen für Mütter und Kinder werden von der Fortpflanz­ungsindust­rie und ihren Helfershel­fern meist ignoriert, ethische Fragen ebenso. Denn wer zahlt, schafft an.

Es gibt aber kein „Recht auf ein Kind“. Es gibt hingegen Kinderrech­te und das Kindeswohl, das nicht käuflich ist, und schutzwürd­ige Interessen. Den Schutz braucht der Wehrlose und Schwache.

Weihnachte­n, bei dem trotz Einkaufshe­ktik und Punsch noch immer die Geburt eines Kindes, eines ganz besonderen Kindes, gefeiert wird, wäre eine guter Zeitpunkt, sich auf diese Grundwerte zu besinnen.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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