„. . . dann soll der VfGH es halt aufheben“
„Die Richter-Skala und das Beben der Politiker“, von Philipp Aichinger, 19. 12.
Es hat den Anschein, dass der Respekt vor der Verfassung immer öfter fehlt, was auch auf mangelnde Kenntnis der Verfassung und Unwillen, sich mit dieser auseinanderzusetzen, zurückzuführen ist. Man kann nicht verlangen, dass jeder Minister fundierte Kenntnis der Verfassung hat. Die allermeisten Gesetzes- und Verordnungsentwürfe kommen aus Ministerien. Also müsste man schließen, dass diese, und dort natürlich die Beamten, schuld an verfassungswidrigen Gesetzen und
Verordnungen sind. Als altgedienter, mittlerweile pensionierter, immer mit legistischen Aufgaben befasst gewesener Beamter konnte ich die Entwicklung des Umganges mit der Verfassung über Jahrzehnte beobachten. In den Siebzigerjahren ließ sich ein Minister von seinem, der Verfassung kundigen, Beamten noch sagen, dass dieser oder jener legistische Wille des Ministers/der Ministerin von der Verfassung nicht gedeckt sei. Später hatte ich durchaus erlebt, dass der Chef/die Chefin meinte, „ist mir egal, dann soll der VfGH es halt aufheben“.
Mittlerweile hören so manche Minister gar nicht mehr auf ihre Beamten, sondern nur mehr auf die Mitarbeiter ihres Sekretariats. Als ich 1968 meinen Dienst antrat, hatte ein Minister einen Sekretär, vielleicht auch zwei. Allmählich wurden es immer mehr. Bis zu zwei bis drei Dutzend Sekretäre sind es heute. Die allermeisten keine Beamten, sondern von „außen“geholte Mitarbeiter.
Kaum der Verfassung kundig, aber die fast ausschließlichen Kontaktpersonen zum Minister. Kein Wunder, wenn legistische Entwürfe immer öfter mit der Verfassung nicht vereinbar sind. Und ob sich die Damen und Herren Abgeordnete im Parlament von Juristen etwas sagen lassen, wenn sie doch ihren politischen Willen durchsetzen wollen, bezweifle ich. Gott sei Dank haben wir noch neutrale, objektive und damit wahre Hüter unserer Demokratie!