„Man ist als Frau nicht so besonders“
Gefängnispfarrerin. Daniela Schwimbersky ist als erste hauptamtlich angestellte Frau in der Wiener Gefängnisseelsorge tätig. „Der respektvolle Umgang miteinander“ist ihr wichtig.
Der achte Bezirk. Wien-Josefstadt. Was man vielleicht nicht so weiß: Ausgerechnet hier, mitten im Achten, in dicht verbautem Wohngebiet, liegt das größte Gefängnis Österreichs. In diesem wiederum, mitten in der mit mehr als 1200 Häftlingen chronisch überfüllten Justizanstalt Wien-Josefstadt, versieht Daniela Schwimbersky ihren Dienst. Sie ist die erste hauptamtlich angestellte Frau in der Gefängnisseelsorge der Bundeshauptstadt. Kurzum: die erste Gefängnispfarrerin Wiens.
Schwimbersky gehört der evangelischen Kirche an (A. B., Augsburger Bekenntnis). Seit Ende September arbeitet sie in der „Josefstadt“. Genau genommen handelt es sich um ein landesgerichtliches Gefangenenhaus – wegen seines Anschlusses an das Graue Haus, wie das Landesgericht für Strafsachen im Volksmund genannt wird. Die 46-Jährige tritt in große Fußstapfen. Ihr Vorgänger Matthias Geist war 17 Jahre lang evangelischer Gefängnisseelsorger und machte sich einen Namen – als geschätzter Ansprechpartner für die Häftlinge (egal, welcher Konfession) und als Kritiker eines Strafvollzugssystems, aus dem Menschen nicht immer „gebessert“wieder herauskommen.
Als im Vorjahr die Leitung der Evangelischen Diözese Wien neu ausgeschrieben wurde, haben sich fünf Kandidaten um den Job des Superintendenten beworben. Darunter waren auch Geist und Schwimbersky. Geist wurde gewählt. Daraufhin bemühte sich Schwimbersky um die nun vakante Stelle in der Gefängnisseelsorge. Nach fast einem Jahrzehnt als Pfarrerin in Ottakring „wollte ich einmal was Neues machen“, erzählt die zweifache Mutter der „Presse“. Seit September also ist ihr Arbeitsplatz hinter Gittern. Drei Tage die Woche in der Josefstadt, drei Tage in den anderen Wiener Gefängnissen, Mittersteig, Favoriten, Simmering. Jeden Donnerstag feiert sie in der Josefstadt einen Gottesdienst in der anstaltseigenen Kapelle. So auch am 26. Dezember. An dem Tag findet auch die evangelische Weihnachtsfeier statt. „Mit Tee trinken und Kekse essen.“
Wie darf man sich so einen Gottesdienst vorstellen? „Wir singen viel. Und klatschen. Beim Singen sind die Männer begeistert dabei.“Bibeltexte gibt es auf PowerPoint-Folien. Die Insassen betätigen sich als Vorleser. Da verschiedene Nationen „einsitzen“, melden sich einige als Dolmetscher.
Darüber hinaus können sich die Eingesperrten zu Gesprächen mit der Seelsorgerin anmelden (diese hat zwei ehrenamtliche Helfer). „Die Seelsorge im Gefängnis hat einen eigenen Wert. Ich unterliege der Schweigepflicht. Im Gegensatz zu Psychologen. Die schreiben am Ende ein Gutachten. Bei mir ist der Häftling in einer Art Schutzraum, er kann reden, ohne dass es bei einer Verhandlung gegen ihn verwendet wird. Das ermöglicht ihm auch, dass seine Würde nicht verletzt wird.“
Was geschieht, wenn jemand ein Geständnis ablegt? „Dann gebe ich das nicht weiter. Mir ist das aber bisher noch nicht passiert.“Und: „Ich frag auch nicht: Was hast du angestellt? Aber viele sagen es von sich aus.“
Da sich in der Anstalt auch viele U-Häftlinge befinden, sind mitunter auch Schwerverbrecher, mutmaßliche Mörder, Räuber und andere, bei den Predigten. Nie mehr als 20 Personen. Aus Sicherheitsgründen. Schwimbersky: „Ich habe aber noch keine Situation erlebt, in der ich mich gefährdet gefühlt hätte. Wenn einer was vorhat, sind 19 andere da, die mich beschützen. Und die Justizwache.“
Wie ist das überhaupt – als Frau unter großteils männlichen Gefängnisbewohnern? „Man ist als Frau im Gefängnis nicht so besonders, wie das viele annehmen; man ist als Frau kein Orchideengewächs.“Es gebe schließlich auch Frauen bei der Justizwache. Oder im psychologischen Dienst.
Wichtig sei „der respektvolle Umgang miteinander“. Dies sei die Leitlinie für Begegnungen im Gefängnis. Schwimbersky: „Die Männer, die fragen: ,Warum hast du kein Kopftuch auf?‘ – die kommen erst gar nicht zu mir.“