Webers späte Abrechnung mit Macron
EU-Demokratie. Der EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl wurde trotz Siegs übergangen. Ein Ärger, den er nicht länger schlucken möchte.
Es gibt in einem politischen Leben Ereignisse, die schwer zu verkraften sind. Etwa die Nichtanerkennung eines Wahlsiegs. Manfred Weber, der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), wurde trotz eines solchen nicht Kommissionspräsident und rechnet nun mit Emmanuel Macron ab, dem er diese Peinigung zu verdanken hat. Das Verhalten des französischen Präsidenten nach der Europawahl sei „eine Attacke auf das demokratische Europa“gewesen, sagte nun Weber in einem Interview mit Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er sprach darin auch offen von einer schweren Zeit im Sommer, in der er seine innere Balance neu suchen musste.
Der bayrische CSU-Politiker war ebenso wie fünf Jahre vor ihm Jean-Claude Juncker zum EVPSpitzenkandidat bestellt worden – mit dem erklärten Ziel aller beteiligten nationalen Parteien, ihn zum nächsten Kommissionspräsidenten zu machen. Doch nach der Europawahl mobilisierte Macron Widerstand gegen ihn. Er sprach dem Europapolitiker die notwendige Erfahrung ab und blockierte gemeinsam mit anderen Regierungschefs seine Nominierung. Weber bezeichnet dieses Verhalten nun als „ziemlich anmaßend“. Denn nicht der französische Präsident entscheide über die Eignung für das Amt, sondern die Wähler.
Macron war freilich nicht der einzige, der Weber als Kommissionspräsident verhindert hatte. So wie bei der Europawahl 2014 vereinbarten die großen Fraktionen des Europaparlaments auch für die Wahl 2019, dass sie nur einen Kandidaten im Plenum absegnen würden, der sich zuvor als Spitzenkandidat am Wahlkampf beteiligt hat. Taktische Überlegungen der anderen Fraktionen führten aber dazu, dass Weber nach der Wahl auch im Europaparlament keine Mehrheit mobilisieren konnte. So hofften beispielsweise die Sozialdemokraten, dass der Widerstand von Macron dazu führen könnte, dass ihr eigener Spitzenkandidat, Franz Timmermans, letztlich als Kompromisskandidat erfolgreich sein wird. Die liberale Fraktion, die eben erst mit Macrons Bewegung en Marche fusioniert hatte, stellte sich ebenfalls nicht hinter den EVP-Kandidaten.
Weber hatte sich als EVP-Fraktionschef in den vergangenen Jahren im EU-Parlament mehrfach um überparteiliche Allianzen bemüht. Nachträglich zeigt er sich wohl auch deshalb von den Parlamentskollegen enttäuscht. „Parteiinteressen werden über das Land und den Kontinent gestellt.“Das Grundproblem sei gewesen, dass die anderen Parteien den Wahlgewinner nicht respektiert hätten. „Das war mir in dieser Wucht nicht bewusst – und ja, das hatte ich auch unterschätzt.“In einem Interview für das „profil“sprach er offen von einer Niederlage. Und er verhehlte nicht, dass sie ihm noch immer im Magen liege. Aber er sagte auch: „Eine Niederlage ist erst dann eine Niederlage, wenn man anschließend nicht mehr aufsteht.“
Der letztlich zur Kommissionspräsidentin bestellten CDU-Politikerin Ursula von der Leyen ist Weber nicht gram. „Sie ist ja nicht schuld an den Entwicklungen. Macron hat sie vorgeschlagen und sie wurde als Kompromisskandidatin akzeptiert.“