Ein Herkules-Plan für Griechenland
Analyse. Griechenland blieb auch 2019 budgetpolitisch auf Kurs. Doch das Wirtschaftswachstum ist schwächer als erwartet. Größtes Problem sind weiterhin die Banken mit ihren faulen Krediten.
Nach den griechischen Parlamentswahlen vom Juli 2019 ist es ruhig geworden um das Krisenland im europäischen Süden – keine Pleitemeldungen, keine Budgetentgleisungen. Tatsächlich lief alles glatt. Die Budgetvorgaben der Gläubiger wurden eingehalten, die Regierung blieb finanzpolitisch auf Kurs, auch die Wirtschaft wuchs 2019, das heißt das dritte Jahr in Folge. Und für viele im Land wohl das Wichtigste: Die Arbeitslosigkeit ging weiter zurück, sie liegt nun bei 17 Prozent.
Trotz Wahlgeschenken im Vorlauf der Wahlen und groß angekündigten Steuersenkungen der neuen, konservativen Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hielt das heurige Budget: 3,7 Prozent Primärüberschuss, das heißt das Budgetplus ohne Abzug der Zahlungen für den Schuldendienst, mussten heuer nach den Vorgaben des Sparprogramms erreicht werden. Das schaffte und überschritt die Regierung, zur Erleichterung der Gläubiger, die den neuen Premier dazu gebracht hatten, seine Ansprüche zurückzuschrauben. So beschränkte sich die neue Regierung auf die Senkung der Unternehmenssteuer von 28 auf 24 Prozent und eine leichte Korrektur der Einkommensteuerstufen.
Die budgetpolitischen Tugenden, die der griechische Staat seit 2016 entwickelt hat, führten vor allem auf den internationalen Finanzmärkten zu Erfolgen. Staatsanleihen im Wert von neun Milliarden Euro konnte Griechenland im laufenden Jahr auflegen; die letzte eine zehnjährige Anleihe mit einer Rendite von 1,5 Prozent – das ist sensationell niedrig für ein Land, das jahrelang keinen Zugang mehr zu den Finanzmärkten hatte. Im Rückblick haben sich also die Sorgen, dass sich das Land nach dem Ausstieg aus dem EU-Rettungsschirm im Sommer 2018 nicht selbst finanzieren kann, bislang nicht bewahrheitet.
Die zweite positive Nachricht ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit, die auf dem Höhepunkt der Krise, 2013, zeitweise auf über 27 Prozent geklettert war. Bei 16,8 Prozent lag sie im September, Tendenz fallend. Der Wermutstropfen: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist hoch, und bei vielen der neuen Arbeitsplätze handelt es sich um „flexible“Beschäftigungsverhältnisse, also um befristete Verträge oder Teilzeitbeschäftigung.
Das Wirtschaftswachstum dürfte 2019 um die zwei Prozent liegen. Gestützt wird es durch den moderat steigenden Konsum und die steigenden Exporte, hier vor allem durch den Tourismus. Auch heuer konnte dieser zulegen. Das ist weniger auf das leichte Besucherplus als auf eine Steigerung bei den Einnahmen zurückzuführen. Auch ein Plus bei ausländischen Direktinvestitionen gab es, jedoch auf „niedrigem Niveau“, wie die Analysten des Internationalen Währungsfonds anmerken. Allgemein ist nach langen Jahren ein Aufschwung zu sehen – die Börse legt zu, der Immobilienmarkt wird attraktiv, ja sogar die Autoverkäufe und die Bauwirtschaft sind im Aufwind.
Das alles hört sich gut an. Doch für ein Land, das aus einer Krise hervorgeht, in deren Verlauf es um die 25 Prozent seines Volkseinkommens verlor, ist das nach Ansicht vieler Experten noch immer zu wenig. Viele hatten von einem Wachstumsboom, von einer „Explosion“der Wirtschaftstätigkeit geträumt. Das ist leider nicht eingetreten. So sehen zwar viele für 2020 ein Wachstum von bis zu drei Prozent, doch das dürfte es dann gewesen sein, ab 2021 sind wieder geringere Steigerungsraten prognostiziert. Deshalb will die Regierung mit den geplanten Steuersenkungen den Konsum steigern und Anreize für Investitionen schaffen. Die Aussichten, dass sie dies im gewünschten Ausmaß schafft, sind allerdings nicht gut. Das internationale wirtschaftliche Klima lässt das nicht zu, aber auch in Griechenland selbst gibt es zu viele Probleme.
Die schwer verschuldeten Haushalte etwa sind damit beschäftigt, Schulden abzustottern – für ausgiebigen Konsum bleibt da nur wenig Spielraum. Hauptproblem sind allerdings die Banken mit den immer noch hohen faulen Krediten in ihren Bilanzen. Darlehen in Höhe von 71 Milliarden Euro, das sind 42 Prozent aller Kredite, werden nicht bedient, der EU-Durchschnitt liegt bei drei Prozent. Das macht die Banken mehr als vorsichtig – die Neuaufnahme von Krediten ist trotz Wirtschaftswachstums und steigender Beschäftigung rückgängig.
Die Regierung hat daher einen Plan verabschiedet, die roten Kredite aus den Bilanzen der vier Systembanken zu bringen, den Herkules-Plan. Herkules orientiert sich am italienischen Modell. Die Banken sollen faule Kredite verbriefen und in eine Zweckgesellschaft überführen. Für rund ein Drittel, Papiere mit guter Bonität, soll der Staat bürgen, der zwölf Milliarden Euro aufwendet. Das grüne Licht von EZB und EU-Kommission hat die Regierung bekommen, 2020 soll der Plan realisiert werden.