Der Stern von Bethlehem war kein Schwarzes Loch
Was können wir sehen und was nicht? Das als „Durchbruch des Jahres“gefeierte „Bild“eines Schwarzen Lochs wirft neues Licht auf diese Frage.
Was war der Stern von Bethlehem? Der Halleysche Komet? Eine Supernova? Eine Konjunktion von Jupiter und Saturn? Ein Genderstern? (Dummer Scherz, Verzeihung.) Keine dieser Antworten – und auch keine andere – ist widerspruchsfrei geblieben. Sicher ist nur, dass der Stern, den die Weisen aus dem Morgenland aufgehen sahen und anbeten wollten, kein Schwarzes Loch war. Denn ein solches kann niemand sehen, da es alles Licht schluckt und nicht wieder ausspuckt.
Oder doch? Am 10. April dieses Jahres ging ein Bild um die Welt, das dieser Tage vom US-Wissenschaftsorgan Science zum „Durchbruch des Jahres“erklärt wurde. Es sieht aus wie eine kunstvoll verschwommene Illustration des Johnny-Cash-Songs „Ring of Fire“und zeigt . . . Ja, was denn? Naturgemäß nicht das Schwarze Loch (diesfalls jenes in der Riesengalaxie M87), aber seinen Ereignishorizont, prosaischer gesagt: seinen Rand. Materie also, die gleich verschlungen werden wird und davor ihr letztes Licht ausschickt. Das Bild wurde freilich nicht direkt aufgenommen, sondern aus Daten von acht Radioteleskopen komponiert. Wobei die von diesen registrierten Radiowellen erst in sichtbares Licht übersetzt werden mussten, wenn ich’s richtig verstanden habe.
„Darkness made visible“, überschreibt Science seine Jahreswertung, da fällt einem wohl nicht nur im letzten Adventlicht der Prolog des Johannesevangeliums ein: Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.
Um vom M97-Bild ergriffen zu sein, braucht es jedenfalls Glauben – an die Wissenschaft. Diesen könne ein solches Bild wiederum bestärken, meint Science- Chefredakteur H. Holden Thorp, ein Chemiker, titelt seinen Kommentar mit dem Satz „Seeing is believing“und schreibt: „Für ein skeptisches Publikum, das die Augen rollt, wenn es Wissenschaftler sagen hört, dass sie wissen, dass Dinge existieren, obwohl man sie nicht sehen kann, ist das ein weiteres wichtiges Objekt, das wir sehen können.“
Der ungläubige Thomas, quasi der logische Heilige der Naturwissenschaft, gab es einst nicht so billig: Er wollte nur glauben, was er mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Fingern begreifen konnte. Das wird bei einem Schwarzen Loch nicht möglich sein. Es bleibt unberührbar, unfassbar, nicht von dieser Welt.