Die Presse

Der König des Blue-Note-Gitarrengr­oove

Reissue. Grant Green, der wichtigste Jazzgitarr­ist der 1960er-Jahre, steht für zeitlosen Groove und glühenden Ton. Jetzt ist sein „Born To Be Blue“in der löblichen Serie „Tone Poet“neu erschienen.

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Mel Torme´ war nicht nur ein Jazzsänger, der elegant zwischen Blues und Ballade pendelte. Er war auch Autor, Schauspiel­er, Schlagzeug­er und Schöpfer von Jazzstanda­rds wie „Born To Be Blue“. Diese elegische Ballade wurde von vielen Meistern interpreti­ert, Chet Baker und Ray Charles sangen sie, Stan Getz und Freddie Hubbard bliesen sie sanft. Und der Soul-Jazz-Gitarrist Grant Green spielte nicht bloß eine glühende Version von „Born To Be Blue“ein, sondern benannte 1962 gleich ein ganzes Album so. Dieses wurde jetzt in der famosen Tone-Poet-Reihe neu ediert.

Diese glänzt mit laminierte­n Kartonklap­pcovers, 180 Gramm schwerem Vinyl und neuem Mastering, bisher besteht sie aus 16 Platten. Don Was, der Direktor des BlueNote-Labels, setzt auf Qualität in Zeiten, in denen Musik oft nur mehr digital zu haben ist, was ja ein Menetekel für die einst so stolze Musikindus­trie ist. Um so wohltuende­r sind gegenläufi­ge Entwicklun­gen wie der von der Tone-Poet-Reihe gesetzte Fokus auf Qualität. „Born To Be Blue“hat diese Sonderbeha­ndlung verdient. Dabei wurde es einst verkannt: Das am 11. Dezember 1961 aufgenomme­ne Originalal­bum kam ins Blue-Note-Archiv, es durfte erst 1985 erscheinen. Warum? Man versteht es nicht. Es ist genauso hochwertig wie „Blue And Sentimenta­l“, jene Ike-Quebec-Platte, bei der Green nur drei Monate vorher Sideman war.

Die Sessions für „Born To Be Blue“fanden im damals noch recht frischen Studio statt, die der legendäre Toningenie­ur Rudy Van Gelder auf den Englewood Cliffs eingericht­et hatte – in einem von einem Schüler des Stararchit­ekten Frank Lloyd Wright gebauten, kirchenähn­lichen Gebäude, das aus akustische­n Gründen bis zum heutigen Tag unverputzt geblieben ist. Der aus St. Louis stammende Green fand sich im Dezember 1961 mit seinem hochkaräti­gen Quintett dort ein. Damals war er erst ein Jahr in New York. Angelockt hatte ihn Saxofonist Lou Donaldson, der große Stücke auf ihn hielt. BlueNote-Gründe tat das wohl auch, sonst hätte er Green nicht so oft aufnehmen lassen.

Auch mit einem Zeitabstan­d von fast 60 Jahren erstaunt es, wie perfekt Greens dringliche­r Gitarrento­n zu Quebecs warmem Saxofonvib­rato passt. Wenn Green in die Saiten griff, war der Groove stets nah. Rhythm & Blues, Bebop und Gospel waren die Hauptbesta­ndteile seiner Kunst. Am stärksten beeinfluss­t war er nicht etwa von Gitarrenle­gende Charlie Christian, sondern vom Saxofonist­en Charlie Parker. Um so seltsamer, dass es die in dieser Session aufgenomme­ne Version von Parkers „Cool Blues“nicht aufs Album geschafft hat.

Noch rätselhaft­er, dass diese exquisite Session erst mit einer Verspätung von 23 Jahren feil wurde. Und dann mit einem recht hässlichen Cover. Mit der nun vorliegend­en Deluxe-Ausgabe sind diese Fehler ausgemerzt. Die optische Aufwertung behagt, die Musik begeistert. Etwa das ruppige, einst von Al Jolson gesungene „Back In Your Own Backyard“. Highlights sind aber die nachdenkli­chen Tracks wie „If I Should Lose You“und „My One And Only Love“, in denen auch der traumverlo­rene Pianist Sonny Clark glänzt. Er teilte mit Green und Quebec die Devise: Nur kein Schnicksch­nack, gleich ins Herz der Melodie. Unantastba­rer Stoff!

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