Der neue Genderstern am Sprachhimmel
Die Weisen aus dem Wiener Unirektorat folgen einem neuen Weihnachtsstern: Der Asterisk soll zu geschlechtsneutralem Sprachgebrauch führen.
Manche sagen, es könnte der Halleysche Komet gewesen sein, andere sprechen von einer großen Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild Fische oder einer komplexen Konstellation von Sonne, Jupiter, Venus und Mond im Sternbild Widder, wieder andere meinen, beim Weihnachtsstern, der die drei Weisen aus dem Morgenland zum Kindlein in einer Betlehemer Krippe geführt haben soll, habe es sich um eine Supernova gehandelt.
Nun, mehr als zweitausend Jahre später, folgen die Weisen aus dem Wiener Unirektorat einem neuen Weihnachtsstern: Dieser Asterisk soll, so der fromme Wunsch, den Raum zwischen männlicher und weiblicher Form für alle Geschlechteridentitäten erleuchten, Mann und Frau sollen nicht mehr explizit adressiert werden. Wobei Rektor* auch die frohe Botschaft verkündet, dass man/ frau/* sich in der persönlichen Kommunikation nicht daran halten müsse; wer also an sein* lieb* Freund* schreibt, darf „bei Frauen und Männern weiterhin die geschlechtsspezifische Anrede wie bisher verwenden.“Echt?
Die Gender-AG der Uni Wien hat sich bei der Ausformulierung der Sternen-Regeln offenbar an Hannover orientiert, wo seit diesem Frühjahr in amtlichen Schreiben, so es keine geschlechtsneutralen Begriffe gibt, der Asterisk verwendet werden muss. Beim Sprechen soll er durch eine „kurze Atempause“gekennzeichnet werden. Statt flüssiger Rede Stop and Go bei Vorträgen und Referaten wird die Verständlichkeit komplexer Inhalte nicht gerade erleichtern und sich für Zuhör* durchaus ein wenig mühselig gestalten.
Dass das Binnen-I durch einen Stern ersetzt werden soll, kritisiert ein* der Pionier*en der feministischen Linguistik, die deutsche Sprachforscherin Luise F. Pusch: „Die Frauen finden sich als Anhängsel wieder, wie zu Anfang der feministischen Sprachkritik.“
Sprachastrolog*en prophezeien übrigens auch, dass es unter dem neuen Stern mit der Frauenquote schwierig(er) werden wird. Es ist traurige Tatsache, dass Menschen wegen ihrer Hautfarbe und/oder sexuellen Orientierung diskriminiert, verächtlich gemacht, herabgewürdigt und gedemütigt werden.
Aber verringert der universitäre Asterisk, der übrigens auch der Comicfigur Asterix als Namenspatron diente, tatsächlich die Kluft zwischen den Geschlechtern, baut er Vorurteile in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft ab und Chancengerechtigkeit aus? Oder ist der neue Stern am Sprachhimmel nicht eher nur ein placeboeffektives, Feel-Good-Ablenkmanöver?
Sicher, Sprache schafft Realität, ihre Grenzen sind, frei nach Ludwig Wittgenstein, die Grenzen unserer Welt. Aber ohne einen Stern zu reißen, könnten eigentlich alle Geschlechter sprachlich reintegriert werden: indem nämlich wieder zwischen Genus und Sexus, zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht, unterschieden würde. Das generische Maskulinum hat nämlich Das generische Maskulinum hat nämlich ebenso wie das generische Femininum nichts mit dem natürlichen Geschlecht zu tun, ist also weder auf männlich, weiblich, inter, trans oder queer fixiert und diskriminiert folglich niemanden, gleichgültig, welche Geschlechtsidentität jemand hat. „Durch die Ungleichheit der Geschlechter wird ständig betont, dass jemand ein weiblicher oder männlicher Kunstschaffender, ein weiblicher oder männlicher Kurator ist. Ich denke, das Problem wird dann gelöst sein, wenn ich das nicht mehr gefragt werde. Ich bin ein Kurator“, sagte etwa Christine Macel, die 2017 als vierte Frau in der mehr als hundertjährigen Geschichte die Venedig-Biennale kuratierte.
Nicht nur in der christlichen Weihnachtsgeschichte, in vielen Hochkulturen des Altertums spielten Sterndeutung und -beobachtung eine große Rolle. Das Judentum hingegen grenzte sich von der antiken Sternenkunde deutlich ab: Wenn, dann verhießen Himmelsphänomene meist nichts Gutes.