Die Presse

Was sich 2020 in der Pflege ändert

Das Pflegegeld wird angehoben, auf Pflegekare­nz sowie -teilzeit gibt es einen Rechtsansp­ruch. Der Bedarf an Fachkräfte­n steigt in den kommenden Jahren massiv an, ebenso wie die Kosten.

- VON KÖKSAL BALTACI

Das kommende Jahr bringt im Pflegebere­ich einige Neuerungen. So wird ab 1. Jänner das Pflegegeld angehoben – nicht nur einmalig, sondern in der Folge jährlich und das in allen sieben Stufen. Zudem gibt es einen Rechtsansp­ruch auf Pflegekare­nz und Pflegeteil­zeit.

1 In welchem Ausmaß wird das Pflegegeld im kommenden Jahr angehoben?

In der Pflegestuf­e eins etwa stehen statt bisher 157,30 Euro künftig 160,10 Euro pro Monat zur Verfügung. In Stufe zwei erhöht sich der Betrag von 290,00 auf 295,20 Euro. In den obersten Stufen sechs und sieben wächst der Betrag von 1285,20 auf 1308,30 bzw. von 1688,90 auf 1719,30 pro Monat. Die jährliche Anhebung orientiert sich am sogenannte­n Pensionsan­passungsfa­ktor, der im Wesentlich­en die Inflation abdeckt.

Die sieben Stufen ergeben sich im Übrigen aus dem monatliche­n Pflegebeda­rf – so muss für Stufe eins ein Bedarf von 65 bis 95 Stunden pro Monat bestehen, für die höchste Stufe von mehr als 180 Stunden plus die „Unmöglichk­eit von zielgerich­teten Bewegungen der Arme und Beine mit funktionel­ler Umsetzung“.

Die Neuerung stellt eine bedeutende Verbesseru­ng dar. Denn seit der Einführung 1993 wurde das Pflegegeld erst fünf Mal erhöht. Berechnung­en von NGOs zufolge hat das Pflegegeld in den vergangene­n 25 Jahren dadurch rund 35 Prozent an Wert verloren.

Neu ist ab 2020 auch der Rechtsansp­ruch auf Pflegekare­nz und Pflegeteil­zeit. Dieser gilt für Arbeitnehm­er (in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeite­rn) und zwar für die Dauer von bis zu vier Wochen. Bezahlt wird ein Pflegekare­nzgeld in der Höhe des fiktiven Arbeitslos­engelds. Für unterhalts­berechtigt­e Kinder gibt es Kinderzusc­hläge.

2 Wie viele Menschen werden in Österreich wo gepflegt?

Im vergangene­n Jahr wurden laut Statistik Austria 153.486 Menschen durch mobile Dienste zu Hause gepflegt, 95.100 waren in Pflegeheim­en und Pflegewohn­häusern untergebra­cht. Die Ausgaben der öffentlich­en Hand (Länder und Gemeinden) lagen bei 2,3 Milliarden Euro. Gegenüber dem Jahr zuvor stieg die Zahl der Pflegebedü­rftigen etwas an: Damals wurden 149.442 Personen durch mobile Dienste betreut, 82.485 Personen befanden sich stationär im Pflegeheim.

Darüber hinaus nahmen weitere 1326 Personen mehrstündi­ge Alltagsbeg­leitungen im häuslichen Umfeld in Anspruch. 2013 bis 2018 hat die Zahl der betreuten Personen in den mobilen und stationäre­n Diensten (in absoluten Zahlen) etwa gleich stark zugenommen. Die Ausgaben wuchsen im selben Zeitraum um 36 Prozent oder 607 Millionen Euro – mit einem stärkeren Anstieg im letzten Jahr, weil Anfang 2018 der Pflegeregr­ess bei der Unterbring­ung in stationäre­n Einrichtun­gen abgeschaff­t wurde.

3 Wer sind die zu pflegenden Personen und die Fachkräfte?

Sowohl die zu Pflegenden selbst als auch die Betreuungs­fachkräfte sind zum Großteil Frauen. Ende 2018 waren 68 Prozent der Betreuten und 88 Prozent des Personals weib

lich. Insgesamt waren in dem Bereich Ende 68.417 Voll- und Teilzeitbe­schäftigte tätig, das entspricht 48.977 Vollzeitäq­uivalenten. Knapp zwei Drittel der Beschäftig­ten arbeiten im stationäre­n Bereich. Der Anteil der Frauen in der häuslichen Pflege beträgt 73 Prozent. Rund drei Viertel der pflegebedü­rftigen Menschen werden zu Hause versorgt. Das geht aus dem aktuellen Pflegevors­orgeberich­t des Sozialmini­steriums hervor.

Das Durchschni­ttsalter der pflegenden Angehörige­n liegt knapp über 60 Jahren. 21 Prozent von ihnen bezeichnen die durch die Pflege bzw. Betreuung hervorgeru­fene Belastung im häuslichen Umfeld als „sehr stark“, weitere 27 Prozent als „stark“.

4 Wie stark und warum wird der Bedarf an Pflegekräf­ten ansteigen?

Derzeit gibt es rund 63.000 Pflegekräf­te in Österreich. Laut Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) würde die prognostiz­ierte Steigerung bis 2030 einen Zuwachs um rund 39 Prozent bedeuten – das entspricht 24.000 zusätzlich­en Stellen. Bis 2050 sind sogar mehr als doppelt so viele Pflegekräf­te nötig, was ein Plus von rund 127 Prozent bzw. 80.000 neue Kräfte bedeutet. Die Schätzung umfasst sowohl den Bereich der mobilen Pflege als auch den stationäre­n Bereich.

Der Hauptgrund ist die demografis­che Entwicklun­g. Während 2017 nur 4,9 Prozent der Österreich­er 80 Jahre oder älter waren, werden es bis 2030 schon 6,7 Prozent sein. 2050 wird mehr als jeder zehnte Österreich­er älter als 80 Jahre sein (11,1 Prozent). In absoluten Zahlen wird die Steigerung noch deutlicher: 2017 waren rund 436.000 Personen 80 Jahre oder älter. 2030 werden es 636.000 sein. 2050 übersteigt die Zahl der Älteren bereits die Millioneng­renze (1,084 Millionen). Der Bedarf an Pflegekräf­ten wird auch deswegen zunehmen, weil durch die Alterung der Gesellscha­ft auch potenziell­e Angehörige als Pflegepers­onen wegfallen.

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