Stella Rollig im Interview
Belvedere. Stella Rollig hat einen Timeslot für Klimts „Kuss“eingeführt – und niemand scheint es bemerkt zu haben. Trotzdem hat sie ein erfolgreiches Jahr hinter sich und große Umbaupläne.
Die Direktorin des Belvedere über ein erfolgreiches Jahr und große Umbaupläne.
Wieder ein neuer Besucherrekord im Belvedere, über 1,7 Millionen waren es 2019. Wo soll das noch hinführen?
Es wird dazu führen, dass wir mit noch verfeinerteren Maßnahmen die Besucherströme lenken werden. Denn erstens geht es ums Wohlergehen der Kunst, zweitens um das der Besucherinnen und Besucher. Die wichtigste Maßnahme, die wir schon getroffen haben, ist das Timeslot-System im Oberen Belvedere. Dazu kommt das Besucherzentrum, das wir in den kommenden Jahren errichten möchten. Im Grunde aber wird das Belvedere schon ein paar Besucher mehr vertragen.
Diese Besucher sind vorwiegend Touristen, denn nicht einmal die „Presse“-Leser haben sich bisher darüber öffentlich empört, dass sie, um „ihren“Klimt zu sehen, jetzt einen Timeslot brauchen. Das scheint niemandem aufgefallen zu sein.
Dem Wiener und der Wienerin raten wir ja sowieso inständig, eine Jahreskarte um 39 Euro zu kaufen, das ist überhaupt der Trumpf, da kann man jederzeit direkt hineingehen. Bislang war es bei uns aber sowieso immer noch so, dass man zumindest innerhalb der nächsten Stunde eingebucht werden konnte.
Und das Besucherzentrum?
Es soll auf der Südseite errichtet werden, wo jetzt der Weihnachtsmarkt stattfindet. Dort gibt es einen alten Schutzbunker, der Möglichkeit für neuen Raum, etwa 2000 Quadratmeter, birgt, wo Serviceeinrichtungen wie Kassen und Garderoben Platz fänden.
Mit einer kleinen Pyramide oben drauf wie beim Louvre?
Nein, da braucht sich kein Denkmalschützer fürchten. Es kommt ein Architekturwettbewerb Anfang 2020, und im Sommer werden wir dann, hoffentlich, genauere Ergebnisse vorstellen können.
Wenn alle, auch die Republik als Eigentümer zustimmen, ist eine Drittelfinanzierung angedacht?
Wir schätzen eine Größenordnung von 30 Millionen von Bund, Belvedere und Drittmitteln. Unsere finanzielle Situation wäre dafür stark genug. Man muss bei derartigen Projekten des Belvedere immer darauf hinweisen, dass es dabei nicht um Träume und den Bedarf eines einzelnen Museums geht, sondern um eine der kulturhistorisch wertvollsten Gesamtanlagen, einem Weltkulturerbe, für die der Staat Verantwortung trägt – auch für zukunftstaugliche Infrastruktur.
2020 soll auch das Untere Belvedere nach nur einer Ausstellung über „Die Avantgarde im Nachtcafe“´ modernisiert werden. Es kommt einem noch so frisch vor!
Das täuscht. Orangerie und Prunkstall werden das ganze Jahr geöffnet haben, der Ausstellungsteil, den wir „Unteres Belvedere“nennen, wird einige Monate lang klimaund sicherheitstechnisch saniert. Das ist längst notwendig. Unmittelbarer Anlass ist eine Kooperation mit dem Amsterdamer Van Gogh Museum, die in der Ausstellung „Klimt inspired by Monet, Van Gogh, Matisse“2021 kulminiert. Das Museum ist ein anspruchsvoller Leihgeber.
Auch eine neue Gastronomie ist geplant?
Ja, dort, wo der Shop jetzt ist, neben dem ehemaligen Groteskensaal. Geführt wird es wie das Schlosscafe´ im Oberen Belvedere und die neue Lucy Bar im Belvedere 21 von DON, also Donhauser.
Dem ÖBB-Caterer? Da denke ich gleich an Gulasch und Würstel.
Wir haben schon mit ihm auf die Speisekarte geschaut, keine Angst. Gerade im Unteren Belvedere soll es sich auch verstärkt an Anwohner und Wiener richten. In Linz betreibt er schon das Lokal im Brucknerhaus und im Musiktheater, ist also auch in Kultureinrichtungen aktiv.
Von Don zum Donnerbrunnen – bisher hat er mit seiner Aufstellung im Marmorsaal die großen Ausstellungen im Unteren Belvedere zerrissen, wird er bleiben?
Nein, er war hier nur geparkt, seit fast 100 Jahren allerdings schon. Im Herbst wird er dem Wien Museum zurückgegeben. Natürlich ist er uns auch ans Herz gewachsen . . .
Das glaube ich Ihnen jetzt nicht.
Der Marmorsaal wird immer, mit oder ohne Donnerbrunnen, die Ausstellungen unterbrechen. Ich komme aus einem White Cube Museum, das ist nicht zu vergleichen, es ist einfach anspruchsvoller in einem ehemaligen Schloss. Ich werde aber trotzdem keine neutralen Räume einbauen lassen.
Räume, wie sie Ihre neue Konkurrenz im Künstlerhaus zur Verfügung hat: die Albertina Modern. Sie haben die Frage in den Raum gestellt, ob Wien wirklich noch einen Standort für Gegenwartskunst brauche. Aber nicht einmal Sie zeigen eine Dauerausstellung österreichischer Kunst nach 1945, obwohl das laut Museumsordnung ein Schwerpunkt sein sollte.
Die Widmung für österreichische Kunst ist nicht mehr zeitgemäß. Ich glaube aber auch nicht, dass Kollege Schröder das vorhat. Gut wäre gewesen, wenn es eine übergeordnete kulturpolitische Entscheidung gegeben hätte, wie man mit den Sammlungen österreichischer und internationaler Kunst nach 1945 in Albertina, Belvedere und anderen Häusern umgeht. Das Belvedere kann seine Sammlung ab 1950, das ist die historische Zäsur im Oberen Belvedere, nicht zeigen. Wir haben aber auch, das muss man sagen, eine recht lückenhafte Sammlung. Die repräsentative Darstellung der Kunst nach 1945 wäre uns nicht wirklich möglich, wenn man sich an den Kanon halten möchte. Es ist aber auch baulich nicht gut möglich, weil das Belvedere 21 ein Pavillon ist, der in seinem durchlässigen, luftigen Charakter einfach nichts Museales hat. Er wäre nicht der richtige Ort für eine dauerhafte Sammlungsausstellung. Außerdem wissen wir, dass die Leute nicht in Museen gehen, um eine Sammlung zu sehen. Vor allem in Wien wollen die Leute Sonderausstellungen sehen.
Das wäre der Tod jedes musealen Konzepts!
Natürlich wünscht sich das niemand. Aber in der Albertina Modern wird aus der sehr profund klingenden ersten Überblicksausstellung über österreichische Kunst nach 1945 auch keine Dauerausstellung, soweit ich weiß.
Wäre das kein Desiderat? Wo soll man die Leute hinschicken, um österreichische Gegenwartskunst zu sehen? Ins Mumok?
Es könnte im Belvedere sein, wenn wir ein Gebäude mehr hätten. Oder im Mumok, wenn sie mehr Platz hätten. Prinzipiell aber muss man schon feststellen: Keiner der Kunstmuseums-Direktorinnen und -Direktoren zur Zeit scheint überzeugt davon zu sein, dass eine solche Dauerausstellung auf entsprechenden Besucherzuspruch stoßen würde. Das spricht doch auch eine deutliche Sprache. Aber geben Sie mir ein viertes Haus, dann mache ich es.