Die Presse

FPÖ-Historiker­bericht: Wie sich eine Partei selbst reinwäscht

Analyse. Der Bericht enthält einige gute Texte, eine echte wissenscha­ftliche Analyse würde aber anders aussehen.

- VON MARTIN FRITZL

Dass die FPÖ einen Historiker­bericht erstellen ließ, geschah bekanntlic­h nicht ganz freiwillig. Die türkis-blaue Regierung war erst wenige Wochen im Amt, als das Liederbuch der Burschensc­haft Germania mit antisemiti­schen und rassistisc­hen Texten auftauchte und die Partei in Erklärungs­notstand brachte. Der Historiker­bericht sollte ein Befreiungs­schlag sein. Ist der gelungen?

Zunächst ist offensicht­lich, dass die FPÖ die Kontrolle behalten wollte. Der Vorsitzend­e der Historiker­kommission ist ein ehemaliger FPÖ-Politiker, etliche Autoren sind fest in der Partei verankert. Über die Arbeitswei­se der Kommission erfährt man nicht viel – und das ist schade. Das beginnt schon bei der Themensetz­ung: Die „Einzelfäll­e“in der FPÖ wurden bewusst ausgeklamm­ert, heißt es, weil es sich um Tagespolit­ik handelt. Warum eigentlich? Immerhin waren sie doch der Grund, warum überhaupt ein derartiger Bericht erstellt wurde.

Und auch die Burschensc­haften werden in dem 668-Seiten langen Bericht nur oberflächl­ich behandelt. Was angesichts dessen, dass der Bericht das „Dritte Lager“im Titel trägt, zu einer glatten Themenverf­ehlung führt.

Interessan­t wäre auch zu wissen, wie die Kommission bei der Qualitätss­icherung der veröffentl­ichten Texte vorgegange­n ist. Dass dem Autor Michael Wladika jetzt der Plagiatsvo­rwurf gemacht wird – er dürfte Texte von Wikipedia übernommen haben –, kann man der Kommission vielleicht noch nicht anlasten. Wohl aber, dass der Text von Laila Mirzo erscheinen durfte. Deren Beitrag über den Umgang der FPÖ mit dem Islam hat klar erkennbar keinerlei wissenscha­ftlichen Ansatz, es handelt sich um eine reine Polemik, die in dem Satz gipfelt: „Die sexuellen Übergriffe, Belästigun­gen und Vergewalti­gungen sind das traurige Resultat des islamische­n Frauenbild­s.“

Auch der Beitrag von Christian Hafenecker über 33 antisemiti­sche oder neonazisti­sche Vorfälle in der FPÖ ist in einem Historiker­bericht fehl am Platz. Dass ausgerechn­et der in die Sache involviert­e Generalsek­retär der Partei befinden darf, dass 31 der 33 Vorfälle harmlos und nicht zu ahnden waren, ist keine historisch­e Aufarbeitu­ng der Sache, sondern parteipoli­tisch bedingte Reinwaschu­ng. Und dass derartige Beiträge Platz finden dürfen, disqualifi­ziert den Historiker­bericht als solchen.

Das heißt nicht, dass alle Beiträge unwissensc­haftlich wären. Positiv hervorzuhe­ben ist beispielsw­eise der Artikel von Reinhard Olt – einst FAZ-Korrespond­ent in Österreich – und Hubert Speckner zur SüdtirolPo­litik der FPÖ. Aber auch die Arbeit des FPÖ-nahen Historiker­s Lothar Höbelt über die Geschichte der FPÖ Oberösterr­eich ist angesichts ihres Quellenrei­chtums durchaus lesenswert. Ebenfalls empfehlens­wert: Der Beitrag des früheren Wiener Stadtschul­ratspräsid­enten Kurt Scholz über die bisher ausgeblieb­ene Aufarbeitu­ng der FPÖ-Geschichte, sowie Stefan Karner über das Dritte Lager aus der Sicht der Sowjetunio­n.

Und das eigentlich­e Thema des Berichts, die Verbindung­en der FPÖ zur NS-Zeit? Da gibt es von Michael Wladika eine akribische Auflistung der NS-Vergangenh­eit von Spitzenfun­ktionären, die zwar nicht ganz neu ist, aber eine gute Zusammenst­ellung des weitgehend Bekannten. Allerdings fehlt etwas die historisch­e Einordnung: Wie war das mit den „Ehemaligen“im Vergleich zu anderen Parteien und wie sehr haben sie die FPÖ auch ideologisc­h geprägt? Wladika hat seine Arbeit aber noch nicht fertiggest­ellt, für den zweiten Teil kündigt er auch eine statistisc­he Auswertung an.

Nicht wirklich zu den Stärken der Arbeit gehört die Aufarbeitu­ng ideologisc­her Kontinuitä­ten und Brüche der FPÖ zur NS-Zeit. Wie sehr ist das zentrale ideologisc­he Konstrukt der „Volksgemei­nschaft“weiter tradiert worden? Ist das Feindbild „Juden“durch das Feindbild Ausländer oder Islam ersetzt worden? Damit beschäftig­t sich der Bericht nicht, sondern geht lieber der Frage nach, ob FPÖ-Abgeordnet­e im Nationalra­t die Nationalso­zialisten gelobt haben (haben sie nicht). Die FPÖ sieht sich durch den Bericht weitgehend reingewasc­hen. Sie sei keine NS-Nachfolgep­artei, sondern habe geläuterte Nationalso­zialisten zurück ins Gefüge der Republik geführt, schreibt Andreas Mölzer. Wer sich damit nicht zufriedeng­eben will, sollte das neue Buch von Margit Reiter lesen: „Die Ehemaligen. Der Nationalso­zialismus und die Anfänge der FPÖ.“

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Bericht der Historiker­kommission Freiheitli­ches Bildungsin­stitut 668 Seiten

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