FPÖ-Historikerbericht: Wie sich eine Partei selbst reinwäscht
Analyse. Der Bericht enthält einige gute Texte, eine echte wissenschaftliche Analyse würde aber anders aussehen.
Dass die FPÖ einen Historikerbericht erstellen ließ, geschah bekanntlich nicht ganz freiwillig. Die türkis-blaue Regierung war erst wenige Wochen im Amt, als das Liederbuch der Burschenschaft Germania mit antisemitischen und rassistischen Texten auftauchte und die Partei in Erklärungsnotstand brachte. Der Historikerbericht sollte ein Befreiungsschlag sein. Ist der gelungen?
Zunächst ist offensichtlich, dass die FPÖ die Kontrolle behalten wollte. Der Vorsitzende der Historikerkommission ist ein ehemaliger FPÖ-Politiker, etliche Autoren sind fest in der Partei verankert. Über die Arbeitsweise der Kommission erfährt man nicht viel – und das ist schade. Das beginnt schon bei der Themensetzung: Die „Einzelfälle“in der FPÖ wurden bewusst ausgeklammert, heißt es, weil es sich um Tagespolitik handelt. Warum eigentlich? Immerhin waren sie doch der Grund, warum überhaupt ein derartiger Bericht erstellt wurde.
Und auch die Burschenschaften werden in dem 668-Seiten langen Bericht nur oberflächlich behandelt. Was angesichts dessen, dass der Bericht das „Dritte Lager“im Titel trägt, zu einer glatten Themenverfehlung führt.
Interessant wäre auch zu wissen, wie die Kommission bei der Qualitätssicherung der veröffentlichten Texte vorgegangen ist. Dass dem Autor Michael Wladika jetzt der Plagiatsvorwurf gemacht wird – er dürfte Texte von Wikipedia übernommen haben –, kann man der Kommission vielleicht noch nicht anlasten. Wohl aber, dass der Text von Laila Mirzo erscheinen durfte. Deren Beitrag über den Umgang der FPÖ mit dem Islam hat klar erkennbar keinerlei wissenschaftlichen Ansatz, es handelt sich um eine reine Polemik, die in dem Satz gipfelt: „Die sexuellen Übergriffe, Belästigungen und Vergewaltigungen sind das traurige Resultat des islamischen Frauenbilds.“
Auch der Beitrag von Christian Hafenecker über 33 antisemitische oder neonazistische Vorfälle in der FPÖ ist in einem Historikerbericht fehl am Platz. Dass ausgerechnet der in die Sache involvierte Generalsekretär der Partei befinden darf, dass 31 der 33 Vorfälle harmlos und nicht zu ahnden waren, ist keine historische Aufarbeitung der Sache, sondern parteipolitisch bedingte Reinwaschung. Und dass derartige Beiträge Platz finden dürfen, disqualifiziert den Historikerbericht als solchen.
Das heißt nicht, dass alle Beiträge unwissenschaftlich wären. Positiv hervorzuheben ist beispielsweise der Artikel von Reinhard Olt – einst FAZ-Korrespondent in Österreich – und Hubert Speckner zur SüdtirolPolitik der FPÖ. Aber auch die Arbeit des FPÖ-nahen Historikers Lothar Höbelt über die Geschichte der FPÖ Oberösterreich ist angesichts ihres Quellenreichtums durchaus lesenswert. Ebenfalls empfehlenswert: Der Beitrag des früheren Wiener Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz über die bisher ausgebliebene Aufarbeitung der FPÖ-Geschichte, sowie Stefan Karner über das Dritte Lager aus der Sicht der Sowjetunion.
Und das eigentliche Thema des Berichts, die Verbindungen der FPÖ zur NS-Zeit? Da gibt es von Michael Wladika eine akribische Auflistung der NS-Vergangenheit von Spitzenfunktionären, die zwar nicht ganz neu ist, aber eine gute Zusammenstellung des weitgehend Bekannten. Allerdings fehlt etwas die historische Einordnung: Wie war das mit den „Ehemaligen“im Vergleich zu anderen Parteien und wie sehr haben sie die FPÖ auch ideologisch geprägt? Wladika hat seine Arbeit aber noch nicht fertiggestellt, für den zweiten Teil kündigt er auch eine statistische Auswertung an.
Nicht wirklich zu den Stärken der Arbeit gehört die Aufarbeitung ideologischer Kontinuitäten und Brüche der FPÖ zur NS-Zeit. Wie sehr ist das zentrale ideologische Konstrukt der „Volksgemeinschaft“weiter tradiert worden? Ist das Feindbild „Juden“durch das Feindbild Ausländer oder Islam ersetzt worden? Damit beschäftigt sich der Bericht nicht, sondern geht lieber der Frage nach, ob FPÖ-Abgeordnete im Nationalrat die Nationalsozialisten gelobt haben (haben sie nicht). Die FPÖ sieht sich durch den Bericht weitgehend reingewaschen. Sie sei keine NS-Nachfolgepartei, sondern habe geläuterte Nationalsozialisten zurück ins Gefüge der Republik geführt, schreibt Andreas Mölzer. Wer sich damit nicht zufriedengeben will, sollte das neue Buch von Margit Reiter lesen: „Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ.“