Erdo˘gan bläst zur Libyen-Offensive
Türkei. Staatschef Erdo˘gan forderte das Parlament auf, den rechtlichen Weg für eine Entsendung von Soldaten nach Libyen zu ebnen. Den regionalen Konkurrenten Moskau griff er indes scharf an.
Nach der Rückkehr von seinem überraschenden Besuch in Tunesien bekräftigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ seinen Plan, türkische Truppen nach Libyen zu senden. „Da wir eine Einladung erhalten haben, werden wir sie akzeptieren“, sagte er in einer Rede vor Mitgliedern seiner Partei AKP am Donnerstag. Das Parlament in Ankara werde direkt nach dem Ende seiner Sitzungspause am 7. Jänner über einen entsprechenden Antrag debattieren, kündigte Erdogan˘ an. Eine Entscheidung könne demnach am 8. oder 9. Jänner fallen.
Es war nicht unmittelbar klar, auf welche Bitte der libyschen Regierung sich die Aussage des türkischen Präsidenten bezog. „Sollte die Lage eskalieren, dann haben wir das Recht, Tripolis und seine Bewohner zu verteidigen“, sagte Fathi Bashagha, Innenminister der international anerkannten Regierung von Premier Fayez al-Sarraj zu Journalisten. Er gab zu verstehen, dass eine offizielle Bitte an Ankara noch nicht ergangen sei; gleichwohl stellte er in Aussicht, dass man die Türkei gegebenenfalls um Hilfe bitten werde.
Die Türkei hat zuletzt ihre Aktivitäten im Bürgerkriegsland Libyen verstärkt. Präsident Erdogan˘ konnte seine Pläne in Syrien aufgrund der starken russisch-syrischen Achse nicht wie gewünscht verwirklichen. Nun scheint er sein Gewicht gegen Moskaus (und Kairos) Dominanz in Libyen zu werfen.
In Tunis sprach er mit seinem Amtskollegen Kais Saied über mögliche Schritte zur Schaffung eines Waffenstillstands in Libyen. Am vergangenen Samstag hatte das Parlament in Ankara bereits grünes Licht für ein umstrittenes Militärabkommen mit der Einheitsregierung in Tripolis gegeben. Dies sieht allerdings keine Entsendung von Bodentruppen vor. Der türkische Präsident kündigte daraufhin an, er werde das Abkommen gegebenenfalls ausweiten, und bekundete seine Bereitschaft, türkische Soldaten in das Krisenland zu schicken. Ankara werde die Möglichkeiten von Bodentruppen, Luftwaffe und Marine prüfen, hatte es geheißen.
Mit einem Engagement Ankaras wächst die Angst vor einem Stellvertreterkrieg in Libyen. Die russische Regierung hat sich zu einem möglichen Engagement der Türkei bereits besorgt geäußert. Moskau steht in Libyen hinter den Kräften von General Khalifa Haftar, der die Hauptstadt Tripolis belagert. Am Montag war eine Delegation der türkischen Regierung nach Moskau gereist, um mit russischen Diplomaten über die Themen Libyen und Syrien zu sprechen. Das Treffen habe drei Tage und damit wesentlich länger als erwartet gedauert, berichtete die russische Tageszeitung „Wedomosti“.
Erdogan˘ ließ rhetorische Spitzen gegen die russische Präsenz in Libyen nicht aus. Moskau sei dort mit 2000 Kämpfern der WagnerSöldnertruppe vor Ort, sagte er. „Hat die Regierung sie offiziell eingeladen? Nein.“(ag./red.)