Chinas Kehrtwende bei Elektro-Autos
Autoindustrie. China hat sich dank staatlicher Subventionen zum führenden Markt für ElektroAutos entwickelt. Weil der meiste Strom aus Kohlekraftwerken stammt, droht eine Notbremsung.
Wer sich im südchinesischen Shenzhen auf die Straße begibt, ist erstaunt ob der geradezu meditativen Stille: Statt Hupen und Motorenlärm ist der Sound der Finanzmetropole ein konstantes Summen. Taxis, öffentliche Busse und ein Drittel aller Pkw werden bereits elektrisch betrieben. Ebenfalls befindet sich in Shenzhen die weltweit größte Ladestation für E-Autos.
Mit deutlichem Abstand hat sich China zum Leitmarkt für E-Mobilität entwickelt. Nicht so sehr aufgrund des technischen Fortschritts, sondern vor allem dank massiver staatlicher Subventionen: Kunden bekamen bislang beim Neukauf eines batteriebetriebenen Fahrzeugs Zuschüsse von umgerechnet 8000 Euro. Heuer wurden weltweit 60 Prozent aller Elektro-Fahrzeuge in China verkauft. Und im Gegensatz zu herkömmlichen Benzinern, dessen Marktführerschaft – mit VW an erster Stelle – ausschließlich in ausländischer Hand ist, mischen im Elektro-Segment künftig Produzenten wie BYD, Thunder Power und Lucid Motors beim internationalen Wettbewerb mit.
Nun droht der Goldgräberstimmung aber ein jähes Ende. Im Juni hat die Regierung in Peking 75 Prozent der Subventionen für Elektro-Autos gestrichen, im nächsten Jahr soll die staatliche Unterstützung vollständig wegfallen. Seither sind die Verkäufe im dritten Jahresquartal um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Im November betrug der Einbruch laut der chinesischen Vereinigung für Automobilhersteller (CAAM) 43,7 Prozent.
Der größte Kaufanreiz war es bislang, dass in großen Städten wie Peking und Shanghai Elektro-Autos von den knappen Nummernschild-Kontingenten ausgenommen waren. Nun zeichnet sich auch hier eine Kehrtwende ab: In den südchinesischen Städten Shenzhen und Guangzhou wurde die Fahrzeugquote seit Juni bereits um die Hälfte angehoben, weitere Städte werden dem Beispiel voraussichtlich ebenfalls folgen.
Strom aus Kohlekraftwerken
„Viele glauben immer noch, dass der Anteil der Elektrofahrzeuge in China stark ansteigen wird. Wir können dies nicht bestätigen“, sagt Jochen Siebert, Geschäftsführer der Beratungsfirma JSC Automotive. Der Hintergrund der Kehrtwende: Ab 2025 soll nicht mehr der Kraftstoffverbrauch für den Flottenverbrauch der Hersteller als Kriterium herangezogen werden, sondern die tatsächlich aufgewendeten CO2-Emissionen. Während etwa Methanol- und WasserstoffBetriebene mit Null veranschlagt würden, fiele die Umweltbilanz von Elektro-Fahrzeugen ungleich negativer aus. Denn China bezieht das Gros seines Stroms durch Kohlekraftwerke. Dies wird laut JCS Automotive zur Folge haben, dass sich China von seinem Fokus auf Elektro-Autos abkehren und einen „Fächer im Verbrennungsbereich aufmachen“werde.
Zudem ist China seit dem eskalierenden Handelsstreit mit Washington stark auf seine Autarkie im Rohstoff- und Energiesektor bedacht. Komponenten für die Produktion von Batterien muss China importieren, vornehmlich aus Ostafrika. Peking möchte sich nicht zu sehr von ausländischen Zulieferern abhängig machen, aus Angst, der Zugang zu den Ressourcen könnte eines Tages gekappt werden.
Auf die deutsche Auto- und die österreichische Zulieferindustrie hat die Strategieänderung in China große Auswirkungen. China ist der weltweit größte Absatzmarkt für Autos. Allein Volkswagen verkauft rund 40 Prozent seiner Autos in China. Bis 2025 will der Wolfsburger Konzern in China 1,5 Millionen Elektroautos absetzen. Genau wie Volkswagen hat auch BMW erst vor Kurzem angekündigt, in der Provinz Jiangsu eine 650 Millionen Euro teure Produktionsstätte für E-Autos zu errichten. Alle größeren Autobauer sind in China per Gesetz verpflichtet, einen Anteil mit Elektromotor auszustatten.
Gleichwohl bedeutet dies nicht das Aus für Elektro-Fahrzeuge in China, schließlich verfolgt Peking nach wie vor ambitionierte Pläne: Bis 2025 soll jeder vierte verkaufte Pkw batteriebetrieben sein, derzeit machen Elektro-Autos rund fünf Prozent des Gesamtmarkts aus.