Odebrecht-Skandal: Megapleite in Österreich
Korruption. Der seit Sommer insolvente brasilianische Konzern unterhält auch hierzulande ein Firmengeflecht. Jetzt wurde gegen eine Gesellschaft Konkursantrag gestellt – mit über 100 Mio. Euro Schulden ist das die größte Pleite des Jahres.
Odebrecht – der Name des größten brasilianischen Baukonzerns ist das Synonym für Korruption geworden. Jahrelang soll sich das Unternehmen, das auch in den Bereichen Öl, Chemie, Zucker und Transport tätig war und ist, mittels Schmiergeldzahlungen an Politiker – die US-Justiz spricht von 785 Mio. Dollar – lukrative Staatsaufträge in Brasilien und etlichen anderen Ländern Lateinamerikas gesichert haben. Im Juni war vorerst Schluss, Odebrecht wurde mit Schulden von rund zwölf Mrd. Euro insolvent. Inzwischen sind Strafzahlungen in Milliardenhöhe verhängt worden, etliche Politiker kostete das ihren Job.
Was hat der größte Korruptionsskandal Lateinamerikas mit Österreich zu tun? Sehr viel. Denn Odebrecht unterhielt auch hierzulande ein Firmengeflecht. Gegen eine Gesellschaft, die „Odebrecht E&P GmbH“, wurde jetzt – von den Gläubigerbanken, wie der Kreditschutzverband (KSV) vermutet – ein Konkursantrag gestellt.
Die Firma hat zwar nur eine Handvoll Mitarbeiter und ebenso wenige Gläubiger und machte zuletzt kaum mehr Umsatz. „Gemessen an den Passiva hat die Pleite aber das Zeug, die größte Unternehmensinsolvenz des Jahres 2019 zu werden“, sagt KSV-Experte Hans-Georg Kantner zur „Presse“. In der im Firmenbuch hinterlegten Bilanz 2018 wies die E&P Schulden von 117 Mio. Euro aus.
Die Causa birgt aber noch aus einigen anderen Gründen Brisanz. Das Verfahren ist noch nicht eröffnet. Weil der Konkursantrag aber nicht unbegründet war – also Gefahr im Verzug besteht –, hat das Handelsgericht Wien eine äußerst seltene Maßnahme gesetzt: Es hat eine Einstweilige Vorkehrung gemäß Paragraf 73 Insolvenzordnung getroffen. Dem Schuldner können so „Rechtshandlungen, die nicht zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, das Veräußern oder Belasten von Liegenschaften oder das Bestellen von Absonderungsrechten“verboten werden.
Konkret geht es um drei Firmen im Besitz der E&P, bei denen das Gericht allen Aktivitäten einen Riegel vorschiebt: die „Odebrecht
Oil&Gas Angola Ltd“, die „Odebrecht E&P Espan˜a S.L.U.“und die „Odebrecht Latinvest Peru S.A.C.“.
Diese drei Firmen spielen auch in der Geschäftsgebarung eine besondere Rolle: Noch im Jahr 2017 wurden Anteile an verbundenen Unternehmen mit 362,8 Mio. Euro ausgewiesen. Ein Jahr später standen unter diesem Posten nur mehr drei (!) Euro. Mit einem Wort: alle drei Gesellschaften wurden auf den sprichwörtlichen Erinnerungs-Euro abgeschrieben.
Im Jahresabschluss wird dies so begründet: Die E&P Angola sei aus einem Ölexplorations-Konsortium ausgeschlossen worden. Der danach geplante Verkauf schlug fehl. Die E&P Espan˜a sei an venezolanischen Gesellschaften beteiligt – da bestünden erhebliche Risken infolge der politischen Krise und rechtlicher Schritte gegen Odebrecht. Und die Latinvest Peru sei operativ nicht mehr tätig.
Die E&P hatte daher Ende 2018 wegen der hohen Abschreibungen ein negatives Eigenkapital. Zudem fehlten die Mittel, um die Verbindlichkeiten zu begleichen. Sämtliche Tatbestände einer Insolvenz seien daher erfüllt, heißt es im Jahresabschluss. Die Firma hat aber die Insolvenz nicht angemeldet, sondern mit der Deutschen Bank und der ING neue Zahlungspläne verhandelt. Was daraus wurde, ist nicht bekannt. Der Wirtschaftsprüfer Consultatio hat jedenfalls für 2018 nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk gegeben.
Die Ansiedlung der im Ölgeschäft tätigen österreichischen Odebrecht-Firmen – bei fast allen fungiert der renommierte Anwalt Paul Doralt als Geschäftsführer – dürfte vor allem steuerliche Gründe gehabt haben. Ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Brasilien und Österreich bringt Firmen enorme Steuervorteile.
Im Zusammenhang mit Odebrecht gibt es noch einen anderen interessanten Konnex zu Österreich: Zum einen soll über eine frühere Meinl-Bank-Tochter in der Karibik ein Teil des Schmiergelds geflossen sein. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hatte die Meinl Bank auch diesbezüglich im Visier – das ist eine Facette, die zum Konzessionsentzug geführt haben soll. Die Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt. Die Beschuldigten bestritten seit jeher die Vorwürfe.
Zum anderen wurde auch die Bank Winter mit dem OdebrechtSkandal in Verbindung gebracht. Diesbezüglich hat die FMA der WKStA schon im Dezember 2017 eine Sachverhaltsdarstellung zum Vorwurf der Geldwäsche übermittelt. Im Juni 2019 hat die Behörde jedoch beschlossen, keine Ermittlungen einzuleiten. Die Bank wies in allen Fällen jegliche Vorwürfe von sich: Es sei nie Geld geflossen, es habe keine Geschäftsverbindungen gegeben, man habe sich stets an österreichische Gesetze gehalten.