Die Presse

Das Ende der Versagensä­ngste

Vierschanz­entournee. Angeführt von Stefan Kraft spekuliert Österreich­s Team nach Jahren der Enttäuschu­ngen wieder mit dem Gesamtsieg. Einen absoluten Topfavorit­en gibt es diesmal nicht.

-

Österreich­s Skispringe­r spüren vor der Vierschanz­entournee Aufwind. Stefan Kraft führt ein formstarke­s ÖSV-Team in die Traditions­veranstalt­ung, die vor der 68. Auflage keinen klaren Favoriten kennt. „Ich bin überzeugt, dass wir eine sehr gute Tournee springen können und gehen das voller Zuversicht an“, betonte Cheftraine­r Andreas Felder.

Das Springerte­am blickt den Herausford­erungen auf den Schanzen von Oberstdorf (Bewerb am Sonntag, 17.30 Uhr, live ORF1, Eurosport, ZDF, Qualifikat­ion am Samstag/16.30 Uhr), GarmischPa­rtenkirche­n (1.1.), Innsbruck (4.1.) und Bischofsho­fen (6.1.) optimistis­ch entgegen. Denn aus der One-Man-Show des Stefan Kraft ist ein schlagkräf­tiges Team geworden. Neben Kraft, dem bisher letzten heimischen Tourneesie­ger (2014/15), sprangen Philipp Aschenwald zweimal und zuletzt in Engelberg der 21-jährige Jan Hörl als Dritter auf das Podest. Und auch Gregor Schlierenz­auer und Daniel Huber haben schon Top-fünf-Plätze eingefahre­n.

Nach neun Bewerben führt Österreich (1865 Punkte) die Nationenwe­rtung klar vor Norwegen (1492) und Polen (1290) an. „Das ist kein Freibrief, dass wir auch bei der Tournee vorn sind“, betonte Felder. Übermäßige Euphorie ist also verboten, auch weil das wohl heißeste Eisen in Engelberg schlagarti­ge Abkühlung erfuhr. Kraft stürzte, neben leichten Prellungen am Gesäß soll aber nur eine Schrecksek­unde zurückblei­ben. „Die Form stimmt“, betonte Kraft nach dem Malheur. „Ich freue mich auf die Tournee.“

An eine dauerhafte Verunsiche­rung seines Vorzeigesp­ringers glaubte auch Felder nicht. „Den Krafti ärgert eher, dass er das Gelbe Trikot wieder ausziehen musste.“Das trägt der Weltcupfüh­rende, der nun wieder Ryo¯yu¯ Kobayashi heißt. Der Japaner hat die vergangene Saison dominiert und als erst dritter Weitenjäge­r den Grand Slam (vier Siege hintereina­nder auf allen vier Schanzen der Tournee) geschafft. Er fährt mit zwei Saisonsieg­en (im Vorjahr: vier) zum Höhepunkt.

Für den Titel des Überfliege­rs hat sich bisher aber niemand wirklich aufgedräng­t. Neben Kobayashi hat nur Daniel Andre´ Tande zweimal gewonnen. Der Norweger kämpft allerdings mit den Nachwehen einer Knöchelver­letzung und verpasste zuletzt in der Schweiz zweimal die Qualifikat­ion für die Top 30.

Felder hat die „üblichen Verdächtig­en“, also Kobayashi und den polnischen Superstar Kamil Stoch ganz oben auf der Rechnung. Stoch gewann den ersten Bewerb von Engelberg, sein insgesamt dritter Tournee-Triumph nach 2016/17 und 2017/18 scheint für den 32-Jährigen auch im ersten Jahr ohne Cheftraine­r Stefan Horngacher möglich.

Der österreich­ische Betreuer wanderte nämlich zu den Deutschen weiter, das Sieger-Gen vorerst nicht. Für die deutschen Springer lief die Saison schleppend an, Markus Eisenbichl­er konnte bisher überhaupt nicht an die so erfolgreic­he Seefeld-WM mit drei Titeln anknüpfen und auch Richard Freitag ist nicht in Form. Die deutschen Hoffnungen ruhen vor den beiden Heimspiele­n auf Karl Geiger, der bisher mit Konstanz brillierte (immer Top 7).

Konstant gut war bisher das ÖSV-Team unterwegs. Ein österreich­ischer Vierschanz­entournees­ieger nach vier Jahren Pause ist denkbar. „Die Chancen stehen sicherlich nicht so schlecht“, bekannte auch Felder. „Stefan Kraft ist sicher in einer guten Position. Und bitte die anderen nicht unterschät­zen: Wenn die einen Lauf kriegen, dann können sie sehr stark sein.“

Es nahen die Tage, an denen die Skispringe­r viel mehr als sonst im Scheinwerf­erlicht stehen – ein Stresstest. „Die Tournee heißt für die Deutschen und Österreich­er auch besonderer Druck“, wusste Felder. „Andere Nationen können oft ein bisschen lockerer an die Sache herangehen.“Dem Tiroler wird um seine Schützling­e nicht bange: „Die Jungs haben die Versagensä­ngste der letzten Jahre abgelegt. Wir haben gut gearbeitet, können die Wettkämpfe genießen.“(red/ag.)

 ?? [ APA/AFP ] ?? Stefan Kraft hat vor Beginn der Vierschanz­entournee ein gutes Gefühl, in der Luft genauso wie am Boden.
[ APA/AFP ] Stefan Kraft hat vor Beginn der Vierschanz­entournee ein gutes Gefühl, in der Luft genauso wie am Boden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria