Automatisch im Dialekt reden
Kabarett. Thomas Maurer bringt in seinem neuen Solo die Psychologie des Denkens auf die Bühne. Auch wenn er nicht gern „der G’scheite“genannt wird.
Ein Hybrid zwischen dialektaler Sprache und gehobenem Deutsch – so bezeichnet Thomas Maurer seinen privaten Sprachumgang. Für sein 18. Soloprogramm, das einen Dialekt-Titel trägt (Woswasi), spielt Maurer bewusst mit den Sprachebenen. „Ich bin ja in der Brigittenau aufgewachsen, als das noch ein Arbeiterbezirk war. Meine Mama hat mich zum Schönsprechen erzogen. Aber bereits im Kindergarten bin ich auf den groben Dialekt gestoßen – sehr zum Entsetzen meiner Mutter“, erzählt der 52-Jährige.
Damals erging es seinen Eltern also fast umgekehrt wie heutigen Jungeltern, die schockiert sind, wenn ihre Kinder mit norddeutschem Akzent aus der Schule kommen. „Ich lese mit meinen Kindern jetzt den Asterix auf Wienerisch, damit sie die Sprache mitkriegen“, lacht Maurer.
Das Stück „Woswasi“hat am 13. Jänner im Stadtsaal Premiere. Der Titel ist aber nicht Maurers Antwort auf die Frage der Veranstalter, wie das Stück heißen soll – ein Jahr vor Premierentermin. „Mir hat der Titel gefallen, weil er alles heißen kann zwischen ,Was kann ich wissen?‘ und ,Leck mi am Oa . . .‘“. Das Grundthema geht in die Psychologie und Hirnforschung mit der Suche nach der Antwort auf die Frage: „Warum bin i so deppert?“
Inspiriert wurde Maurer durch das Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“des israelisch-amerikanischen Psychologen Daniel Kahneman: „Eines der gescheitesten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe.“Es bezieht sich auf zwei Systeme des Denkens, wobei System eins für den Alltag zuständig ist: „Dafür, dass man gehen kann, ohne Umfallen. Dass man seine sieben Zwetschken beinand’ hat.“System zwei umfasst alles, was bewusstes Denken angeht: „Das ist anstrengend, das macht das Hirn nicht gern. Und darum redet es uns ein, dass Dinge, die wir automatisch gemacht haben, lang überlegte, bewusste Entscheidungen waren.“Im Bühnenstück kommen beide Systeme personalisiert zu Wort: Das automatische Denken drückt sich im Dialekt aus und das System zwei mit einem eher akademischen Zungenschlag.
Interessanterweise wird gerade er, der mit 17 die Schule abgebrochen hat, nachdem er drei Mal die fünfte Klasse absolvierte, von Kollegen gern als „der G’scheite“betitelt – vor allem im TV-Format „Was gibt es Neues?“: „Der Ausdruck würde mir vielleicht einen Imagetransfer bringen, wenn die Sendung mit lauter Angehörigen der Akademie der Wissenschaften besetzt wäre. Aber so reiß ich mich nicht drum. Es ist aber besser, als sie würden ,der Depperte‘ sagen“. Im Team der Staatskünstler mit Florian Scheuba und Robert Palfrader hört er solche Zuordnungen hingegen nie. „Das hat auch damit zu tun, dass der Robert die lästige Angewohnheit hat, sich ständig blöder darzustellen, als er ist.“
Seine Wissbegierde hat schon lang vor der digitalen Revolution begonnen, als er von zu Hause ausgezogen ist, um in der Sechshauserstraße eine Buchhändlerlehre zu starten: „Die ich mit Auszeichnung abgeschlossen habe.“Sein „Trivial Pursuit“-Wissen frischt er nun täglich mit Wikipedia et al. auf – „auch wenn es nicht gut für den CO2-Abdruck ist.“
Aufwendige Technik wie in seinen vorigen Programmen „Zukunft“und „Der Tolerator“ist im neuen Stück diesmal keine dabei: „Nicht einmal das Beistelltischerl brauch ich.“Und auch für Tagespolitisches hat Maurer kaum Improvisationsfreiraum geplant, obwohl zur Zeit der Premiere die neue Regierung vielleicht schon aufgestellt sein wird. „Das Aktuelle behandeln wir eh in den Staatskünstlern.“
Über die Weihnachtsfeiertage arbeitet Maurer diesmal durch, das Familienessen hat sich bloß auf ein Kalbsgulasch beschränkt. „Sonst lade ich zu Silvester ein Schippel Leute ein und koche mehrgängig auf, mit einem unfassbar zeitraubenden Coq-au-VinRezept. Aber am 31. Dezember spielen wir drei Mal die Staatskünstler im Rabenhof.“Das Coq au Vin fällt also aus, und die Künstler auf der Bühne müssen sich zügeln bei der traditionellen „Flasche Schampus“, die sie jede Show trinken: „Sonst weiß man in der dritten Vorstellung nicht mehr, was man gerade gesagt hat.“