Die Presse

Das „Nudging“scheitert an der heiligen Kuh Auto

Verhaltens­ökonomie. Die viel gepriesene­n „kleinen Anstöße“zur Steuerung der Bürger zeigen null Wirkung, wenn es ums Pendeln geht.

-

Was haben sich Verhaltens­ökonomen und Politiker nicht alles vom „Nudging“versproche­n! Kein Zwang, sondern kleine Anstöße sollen das Verhalten der Bürger sanft in die gewünschte Richtung lenken. Aber nun zeigt ein großes Feldexperi­ment (Nature Human Behaviour, 23.12.): Die empfohlene­n Maßnahmen bringen gar nichts – zumindest, wenn es ums Pendeln geht. Schauplatz: ein europäisch­er Flughafen mit 70.000 Mitarbeite­rn, bester Öffi-Anbindung und einem Angebot für Fahrgemein­schaften. Trotzdem kommt die Hälfte der Mannschaft allein im Auto zur Arbeit. In einer Umfrage vor dem Experiment sah alles noch fein aus: 60 Prozent zeigten Interesse am Auto-Teilen, auch Angebote für billigere Öffi-Tickets wollten viele nutzen. Gesagt, aber nicht getan.

Die Forscher spulten das komplette Programm ab: Man verschickt­e Mails mit Infos zum „Carpooling“, rechnete die Kostenersp­arnis vor, empfahl in der Nähe wohnende Kollegen als passend für eine Fahrgemein­schaft, ließ Testimonia­ls für umweltfreu­ndliches Verhalten werben, bot Ermäßigung­en für U-Bahn und Bus an und half bei der Erstellung eines maßgeschne­iderten Umstiegs-Plans. Der Effekt: nahe null.

Aber was unterschei­det diese Studie von vielen anderen, die das Lob des Nudging singen? Die hohe Zahl der Teilnehmer, und Alltag statt Labor, also natürliche Bedingunge­n – die Probanden wussten nicht, dass sie an einem Test teilnahmen, und zeigten daher kein sozial erwünschte­s Verhalten. Zudem ist es vermutlich einfacher, Menschen zu einer einmaligen Entscheidu­ng zu animieren (etwa eine private Altersvors­orge abzuschlie­ßen), als ihr lang eingeübtes tägliches Verhalten zu ändern.

Vor allem aber ging es hier um die heilige Kuh Auto. Wir haben zu ihm eine „emotionale Bindung“, wie die Autoren schreiben, es steht für „Autonomie, Status und Macht“. Auch wenn Auto-Pendler über Stress und geringe Lebensqual­ität klagen: Gegen die ineffizien­te Nutzung helfen keine Überredung­skünste. Aber wohl auch nicht der viel beschworen­e Ausbau des Öffi-Angebots – besser als an einem großen Flughafen kann es ja kaum sein. Aus Sicht der ernüchtert­en Forscher bleiben nur „harte Maßnahmen“: höhere Kosten für Fahrt und Parkplätze. Wer nicht hören will, muss zahlen. (gau)

Newspapers in German

Newspapers from Austria