Die Klimadiskussion wird die Wirtschaftspolitik dominieren
Klimawandel. Im Kampf gegen den Klimawandel dominieren Partikularinteressen, ein wirklich schlüssiges Gesamtkonzept ist nirgends zu sehen. Stattdessen wandelt sich die Szene zum Schlachtfeld der PR-Genies.
Der Klimawandel wird die wirtschaftspolitische Diskussion 2020 beherrschen, das ist nicht schwer vorauszusagen. Diese wird in Branchen vordringen, die derzeit noch nicht so im Fokus stehen. Und sie wird im Kampf um Partikularinteressen zunehmend zum
Schlachtfeld der PR-Genies: Wer den griffigeren
Slogan hat, punktet.
Einen Vorgeschmack darauf liefern die traditionell lobbystarken
Agrarier, die ihre wichtigste jährliche Diskussionsveranstaltung, die
„Wintertagung“, im kommenden Jänner unter das
Motto „Von Almen zu
Palmen“stellen.
Grenzgenial griffig, sehr einprägsam – und üppig mit dem derzeit wichtigsten Attribut der
Klimadiskussion versehen: der Dramatisierung und Zuspitzung. Denn in der Realität wird wohl noch einige Zeit vergehen, bis der Klimawandel die erste Dattelernte in der Pasterzen-Oase erlaubt.
Die Bauern sind aber zu Recht alarmiert: Sie sind ja nicht nur direkt Betroffene, weil sie jede Klimaveränderung als Erste spüren, sie sind auch Groß-Mitverursacher. Fast ein Viertel des globalen Treibhausgasausstoßes geht auf ihr Konto, womit sie bei den Emissionen durchaus auf Augenhöhe mit der Industrie und dem Autoverkehr stehen. In Europa sind das immerhin noch zwischen zehn und 15 Prozent. Also ein Vielfaches des so verteufelten Flugverkehrs. Wobei das noch nicht die ganze Wahrheit ist, denn die Emissionen der landwirtschaftlichen Maschinen sind darin noch gar nicht enthalten: Sie werden überwiegend dem Verkehr zugerechnet.
Da empfiehlt es sich schon, die Opferrolle überzubetonen und die „Mittäterschaft“unter dem Teppich zu halten. Gerade diese Strategie kommt aber immer stärker unter Druck. Zumindest in den Nachbarländern: In Deutschland etwa haben die im politischen Aufwind stark nach oben segelnden Grünen soeben mit der Forderung aufhorchen lassen, die Landwirtschaft entweder in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen – oder Fleisch und Milch mit saftigen CO2-Steuern zu belegen. In der Schweiz wiederum will die Regierung strikt darauf achten, dass die Landwirtschaft ihr Emissionsziel für 2030, das eine Treibhausgasreduktion um ein Viertel vorsieht, einhält. Unter anderem durch eine verpflichtende Verringerung der Rinderbestände.
Lebensmittel werden teurer
Zumindest die deutsche Lösung wird dazu führen, dass Lebensmittel deutlich teurer werden, ohne dass die Bauern selbst allzu viel davon haben. Das kann noch spannend werden, denn als besonders konfliktscheu gelten die Agrarier ja nicht gerade. Das Phänomen steigender Preise, deren einziger Profiteur der steuereintreibende Staat ist, werden aber auch andere Branchen erleben. Denn CO2-Bepreisung über Steuern ist bereits ein großes Thema. Und die birgt eine Menge sozialen Sprengstoff. Denn das bedeutet zuallererst einmal, dass fossile Treibund Heizstoffe teurer werden müssen. Und zwar kräftig, denn mit ein paar Cent erzielt man keinen merkbaren Lenkungseffekt.
Heizen und Mobilität decken aber Grundbedürfnisse ab. Entsprechend sensibel reagieren die Menschen auf Verschlechterungen in diesem Bereich. In Mitteleuropa, besonders in Deutschland und Österreich, ist der Langmut der Bevölkerung in diesem Punkt noch groß. Aber Frankreich hat sich mit ein paar Cent Treibstoffpreiserhöhung die Gelbwesten eingehandelt und viele der jüngsten Volksaufstände – von Teheran bis Santiago de Chile – hatten zumindest vordergründig entweder mit Treibstoffpreiserhöhungen oder mit Verteuerungen der öffentlichen Mobilitätsdienstleistungen zu tun.
Hier hat die Politik sehr viel Kommunikationsbedarf, wie man so schön sagt. Denn, wenn man substanzielle Änderungen im Verhalten der Menschen erreichen will, wird man über wirklich spürbare Steuerungsmaßnahmen nicht herumkommen. Mit gutem Zureden geht jedenfalls gar nichts: Elektroautos floppen weiterhin, dafür meldet die OMV für die vergangenen Monate eine deutliche Zunahme des Dieselabsatzes. Über „Flugscham“wird viel geredet, aber die Flugbranche gehört weiterhin zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaftssektoren. Und das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben.
Viele Konfliktfelder
Wir stehen also vor gewaltigen Herausforderungen in allen Bereichen. Nicht nur in Sachen Verkehr und Landwirtschaft. Die starke Hinwendung zu nachhaltigen Anlagen beispielsweise erschwert Unternehmen mit schlechtem Umweltimage – etwa Stahlerzeugern oder Erdölproduzenten – schon jetzt die externe Finanzierung. Sie aus Klimagründen anderswo hin zu vertreiben ist aber wohl auch keine Lösung. Schon gar nicht für das Klima.
Es entstehen jedenfalls zahlreiche Konfliktfelder in den Bereichen Soziales, Arbeitsmarkt, Industrie, Verkehr, Steuern, Landwirtschaft und so weiter. Und es gibt auf politischer Ebene keine schlüssige Gesamtstrategie, sodass Partikularinteressen und PR-Getöse die Diskussion dominieren. Das ist keine gute Voraussetzung: Man hilft damit dem Klima nicht – und schadet der Gesamtwirtschaft schwer. Ein Dilemma, aus dem die Politik noch keinen plausiblen Ausweg gefunden hat.
Die Klimadiskussion nimmt Fahrt auf und wird 2020 die Wirtschaftspolitik dominieren.